Im Interesse der öffentlichen Sicherheit und der Wirtschaft

Rote Fahne Kolporteure. Foto: KPÖ-Archiv.

Historiker Manfred Mugrauer Verbot der Kommunistischen Partei Österreichs im Mai 1933.

Vor 90 Jahren, am 26. Mai 1933, wurde die KPÖ von der autoritären Regierung Dollfuß verboten. Die Partei wurde damit schon früher als die meisten anderen Organisationen der ArbeiterInnenbewegung in die Illegalität gedrängt, bereits ein Dreivierteljahr vor den Februarkämpfen 1934. Das Verbot der Partei wurde in einer Sitzung des Ministerrats auf Antrag von Emil Fey beschlossen, der wenige Wochen zuvor vom Staatssekretär für das Sicherheitswesen zum Bundesminister avanciert war. Als Begründung nannte Fey, dass in den letzten Wochen gegen die KPÖ »wiederholt wegen illegaler und staatsfeindlicher Handlungen« eingeschritten werden musste. In Ermangelung anderer gesetzlichen Grundlagen wurde die Partei nicht aufgelöst, vielmehr erfolgte das Verbot der KPÖ auf Grundlage des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes aus dem Jahr 1917. Auf Basis dieses Diktaturparagraphen aus dem vorletzten Jahr der Habsburgermonarchie wurde nun jene Verordnung der Bundesregierung erlassen, mit der jede Betätigung für die KPÖ verboten wurde.
Zuwiderhandlungen gegen dieses Betätigungsverbot wurden – »unbeschadet der allfälligen strafgerichtlichen Verfolgung« – mit einer Geldstrafe bis zu 2000 Schilling oder mit Arrest bis zu sechs Monaten bestraft. Diese Strafen »können auch nebeneinander verhängt werden«, so die im als Bundesgesetzblatt Nr. 200 veröffentlichte Verordnung. Hierin spiegelte sich die inhaltliche Ausweitung des Verwaltungsstrafrechts, das sich nicht mehr nur gegen Ordnungswidrigkeiten schlechthin richtete, sondern vor allem der Bekämpfung der politischen Opposition diente. Politische GegnerInnen konnten auf diesem Wege ohne richterliche Einvernahme und gerichtliches Urteil inhaftiert werden.

Repression und Verfolgung 1927–32

Die KPÖ sah sich bereits seit 1927 mit verstärkter behördlicher Verfolgung und staatlichen Repressionsmaßnahmen konfrontiert: Versammlungsverbote, Hausdurchsuchungen, Verhaftungen und Gerichtsverfahren gegen FunktionärInnen standen schon in den Jahren vor dem Verbot der Partei auf der Tagesordnung, die Parteizeitungen, Broschüren und Flugschriften wurden regelmäßig zensuriert bzw. konfisziert. So wurden allein im Jahr 1929 31 Ausgaben der Roten Fahne, des Zentralorgans der Partei, beschlagnahmt, gegen ihre Redakteure und kommunistische Parteifunktionäre wurden Hochverratsanklagen erhoben.
Infolge der ultralinken Wendung der Kommunistischen Internationale war die KPÖ in diesen Jahren in die Isolation geraten. Im wirtschaftspolitischen Tageskampf gegen die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise gelang es der Partei ab 1931, schrittweise aus der Isolation auszubrechen und eine Phase der Aufwärtsentwicklung einzuleiten. Das wachsende realpolitische Gewicht und die gestiegene Aktivität der KPÖ spiegelten sich im erhöhten Druck der Behörden auf die Partei: So richtete Innenminister Franz Winkler am 1. August 1931 einen Erlass an die Polizeibehörden und Gendarmeriekommanden, die kommunistische Agitation in jeder Weise zu unterdrücken und zu verhindern. Durch diese von der KPÖ als »unerhörten faschistischen Diktaturerlaß« charakterisierte Maßnahme wurde die Partei praktisch außerhalb des Gesetzes gestellt. Ende September dieses Jahres folgte die behördliche Auflösung des Kommunistischen Jugendverbands. Ab Oktober 1931 wurden von den verschiedenen Polizeidienststellen Namensverzeichnisse kommunistischer ParteigängerInnen erstellt.
Mit Hinweis auf die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit wurden kommunistische Versammlungen unter freiem Himmel, Kundgebungen und Demonstrationen, aber auch kommunistische Mitgliederversammlungen regelmäßig verboten bzw. gewaltsam aufgelöst. Die KPÖ reagierte auf diese Repressionen mit einem Aufruf zum Kampf gegen das Versammlungs- und Aufmarschverbot: »Für uns Kommunisten gelten nicht die Gesetze der Bourgeoisie, wir pfeifen auf jede Verordnung der herrschenden Klasse. Unsere Gesetze sind die Gesetze der siegreichen Entfaltung des proletarischen Klassenkampfes«, so eine kommunistische Parole angesichts der Verlängerung des Versammlungsverbots zu Jahresbeginn 1932.

Offensive gegen die KPÖ 1933

Die Jahre 1933/34 standen ganz im Zeichen der verstärkten Offensive der Regierung gegen die organisierte ArbeiterInnenbewegung und der sukzessiven Beseitigung der Demokratie. Nach der Ausschaltung des Nationalrats am 4. März 1933 regierte Dollfuß mittels Notverordnungen ohne Parlament. Es ergingen fortan zahlreiche Regierungsverordnungen auf Grundlage des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes, u.a. am 7. März ein allgemeines Versammlungsverbot. Am selben Tag wurde eine Verordnung erlassen, wonach Zeitungen unter Vorzensur gestellt werden konnten, d.h. es mussten bereits zwei Stunden vor ihrer Verbreitung Pflichtexemplare an die Pressepolizei abgeliefert werden. Die nächsten Verbotsmaßnahmen richteten sich im April u.a. gegen das Streikrecht und gegen die traditionellen Kundgebungen der ArbeiterInnenbewegung am 1. Mai. Die KPÖ kritisierte diese autoritären Maßnahmen als Prozess der fortgesetzten Faschisierung des politischen Systems in Österreich. Das Juni-Plenum des Zentralkomitees charakterisierte die Dollfuß-Regierung als eine »Übergangsregierung im Prozeß des Ausbaus der faschistischen Diktatur«.
Nach der Ausschaltung des Parlaments wurde auch die Gangart gegenüber der KPÖ, der konsequentesten Gegnerin der Faschisierung, weiter verschärft: Am 13. März fanden Hausdurchsuchungen im Parteisekretariat in der Alser Straße, in der Redaktion der Roten Fahne in der Schottenfeldgasse und in mehreren Wohnungen statt. Zahlreiche kommunistische FunktionärInnen wurden im Zuge dieser Razzia angehalten, darunter der Parteivorsitzende Johann Koplenig. Als erstes österreichisches Blatt wurde am 13. März die Rote Fahne unter Vorzensur gestellt und hierauf beinahe täglich konfisziert, die KPÖ-Wochenzeitung Illustrierte Rote Woche folgte am 31. März. Eine neue Verhaftungswelle setzte unmittelbar vor dem 1. Mai ein, hatte doch die KPÖ angekündigt, das Verbot der Kundgebungen zu durchbrechen und entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen zur Mobilisierung getroffen. Am 27. April fanden erneut Hausdurchsuchungen in kommunistischen Parteilokalen und den Wohnungen von Leitungsmitgliedern statt, wobei insgesamt 63 FunktionärInnen angehalten wurden. 100.000 Exemplare des Flugblatts zum 1. Mai wurden beschlagnahmt.
Während die Sozialdemokratie angesichts des Verbots am 1. Mai nur zu Spaziergängen, zu einem »Bummel« auf den Gehsteigen aufrief, wurden von der KPÖ in einigen Wiener Arbeiterbezirken und in zahlreichen Provinzorten politische Kundgebungen organisiert. Die Aufrufe der KPÖ zum 1. Mai stand ganz im Zeichen des Kampfes gegen die »Notverordnungsdiktatur«, gegen die Kapitulationspolitik der sozialdemokratischen Parteiführung und für die Bildung einer antifaschistischen Einheitsfront. Nachdem die Partei am 1. Mai ihre Lebenskraft bewiesen hatte, holte Staatssekretär Fey zu einem schweren Schlag aus: Am 2. Mai wies er in einem Runderlass alle Polizeidienststellen an, »sämtliche leitenden Funktionäre« der KPÖ, die »Land-, Kreis-, Bezirks- und Zellenleiter« in Haft zu nehmen und Hausdurchsuchungen »wegen Gefahr im Verzug […] auch ohne richterlichen Befehl« vorzunehmen. Die Lokale der KPÖ seien »ausnahmslos zu schließen«. Auf Grundlage dieses Erlasses fanden ab 3. Mai in ganz Österreich Razzien statt. 800 KPÖ-FunktionärInnen wurden in Haft genommen. Organisationen im Umfeld der KPÖ wie die Österreichische Arbeiterwehr sowie die Solidaritätsorganisation Rote Hilfe und Bund proletarischer Solidarität wurden behördlich aufgelöst.
Nach dem Verbot der Partei am 26. Mai wurden die nachgeordneten Sicherheitsbehörden angewiesen, die Bestimmungen der neuen Verordnung »mit Nachdruck« und »auf das gewissenhafteste und strengste zu handhaben«. Diese Maßnahme habe sich »im Interesse der öffentlichen Sicherheit und der schonungsbedürftigen Wirtschaft als unabweislich herausgestellt, um die staatsgefährliche und umstürzlerische Wühlarbeit dieser vollständig vom Ausland abhängigen politischen Gruppe wirksam zu unterbinden«. Erläuternd wurde festgehalten, dass »jedwede Betätigung durch Wort, Schrift oder Tat« vom Verbot betroffen sei, sowie »die Bildung und Fortführung von Parteiorganisationen […] und kommunistischen Vereinen sowie die Haltung von Parteilokalen«, das Tragen von Parteiabzeichen und die Herausgabe oder Verbreitung von Druckwerken.
Mit dem Parteiverbot einher ging auch der Verlust der kommunistischen Mandate auf Gemeinderats- und Bezirksratsebene. Die Rote Fahne konnte noch zwei Monate legal als »Privatblatt« erscheinen. Ab dem 11. Juli wurde der Vertrieb der Zeitung durch Straßenverkauf und Kolportage verboten. Die Zustellung war nur noch auf dem Postweg erlaubt. Am 22. Juli erschien die letzte Ausgabe der Roten Fahne, deren Erscheinen mit diesem Tag verboten wurde. Ab Mitte August konnte die KPÖ die illegale Herausgabe ihres Zentralorgans sichern.

Auf die Illegalität vorbereitet

Die KPÖ traf das Verbot nicht unvorbereitet. Angesichts der behördlichen Repressionen seit 1927 war die Partei frühzeitig darangegangen, sich auf eine mögliche Illegalisierung vorzubereiten und einen illegalen Organisationsapparat aufzubauen. Dennoch führte das Verbot zunächst zu einer organisatorischen Schwächung. Teile der Parteiführung und des mittleren Kaders wurden festgenommen, Verbindungen unterbrochen, mancherorts kam die organisierte Tätigkeit der KommunistInnen ganz zum Erliegen. Der Wiederaufbau der Partei war ein langwieriger Prozess, die KPÖ war jedoch in der Lage, einen großen Teil ihrer Mitglieder für die illegale Arbeit zu mobilisieren, ihre Parteiorganisationen zu reorganisieren und schließlich ein ganzes Netz von Organisationen und Leitungen aufzubauen.
Ein Hintergrund des KPÖ-Verbots war der wachsende politische und ideologische Einfluss der Partei auf sozialdemokratische ArbeiterInnen, die vom Kapitulationskurs ihrer Parteiführung enttäuscht waren. War es der Regierung darum gegangen, diesen Einfluss auf oppositionelle ArbeiterInnen und eine weitere Linksentwicklung zu unterbinden, gelang es der KPÖ nun umgekehrt, aufgrund ihres konsequenten illegalen Kampfes gegen den Faschismus ihr Ansehen weiter zu stärken und ihre Basis in der ArbeiterInnenklasse sogar zu verbreitern. Nach den Februarkämpfen des Jahres 1934 entwickelte sich die KPÖ infolge des massenhaften Übertritts enttäuschter SozialdemokratInnen von einer kleinen und wenig einflussreichen Partei zu einer maßgeblichen Kraft innerhalb der österreichischen ArbeiterInnenbewegung.

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Manfred Mugrauer

Manfred Mugrauer ist wissenschaftlicher Sekretär der Alfred Klahr Gesellschaft. Jüngste Buchveröffentlichung: Die Politik der KPÖ 1945–1955. Von der Regierungsbank in die innenpolitische Isolation.

Dieser Beitrag ist zuerst in der Volksstimme vom Mai 2023 erschienen.

Am 1. Juni findet eine Veranstaltung der KPÖ unter dem Titel »26. Mai 1933: 90 Jahre Verbot der KPÖ
Politische Repression und faschistische Offensive
« mit Manfred Mugrauer in Wien statt.