GESCHICHTE | BIOGRAFIEN

Franz Leitner (1918-2005)

»Wir, die letzten noch lebenden Augenzeugen der Verbrechen des Nazismus, rufen Euch zu: ‚Unsere schwere Vergangenheit darf niemals die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder werden!‘« Franz Leitner

Biografie

Franz Leitner (* 12. Februar 1918 in Wiener Neustadt; † 20. Oktober 2005 in Höf-Präbach) war ein „Gerechter unter den Völkern“. Nach dem Krieg wurde er Vizebürgermeister und Stadtrat von Wiener Neustadt. Später war er kommunistischer Landtagsabgeordneter in der Steiermark und Landesparteivorsitzender der KPÖ–Steiermark.

Gerechter unter den Völkern

Leitner trat bereits in jugendlichem Alter dem Kommunistischen Jugendverband bei. Aus diesem Grund wurde er bereits 1936 politisch verfolgt und bis ins Jahr 1937 wie viele andere Linksoppositionelle im austrofaschistischen Anhaltelager Wöllersdorf inhaftiert. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, am 1. September 1939, wurde Leitner
verhaftet und ins KZ Buchenwald deportiert, in dem er am 7. September 1939 registriert wurde. Seine Häftlingsnummer war 4046. Dort, in der „Hölle am Ettersberg bei Weimar“, versuchte eine internationale Widerstandsorganisation den Häftlingen ihren Alltag im Konzentrationslager erträglicher zu gestalten. So initiierten die Mitglieder dieser Widerstandsorganisation zusammen mit den Lagerältesten den so genannten „Kinderblock“ in der Baracke Nr. 8. Für diesen wurde Leitner im Jahr 1943 zum Blockältesten bestimmt. 

Bis zu 400 Kinder aus Russland, der Ukraine und aus Polen wurden diesem Block zugeteilt. Sie hungerten, wurden durch die Lager-SS schikaniert und besaßen nicht einmal die lebensnotwendigsten Dinge. Leitner versuchte, zusammen mit anderen Häftlingen, diesen Kindern und Jugendlichen zu helfen. Sie organisierten Lebensmittel, führten sie den „leichteren“ Arbeitskommandos zu und beschützten sie so gut sie konnten vor den willkürlichen und harten Strafen der Lager-SS.

Ab Juni 1944 kamen immer mehr jüdische Kinder und Jugendliche aus dem Osten ins Lager. Ein beträchtlicher Teil von ihnen wurde von Franz Leitner und seinen Mitstreitern in den Block 8 überführt, wo sie keinen David-Stern auf ihrer Kleidung tragen mussten. Sie waren dadurch nicht als Juden zu erkennen und konnten schlussendlich den so genannten Evakuierungstransporten, die den sicheren Tod für alle bedeuteten, die diesen zugeteilt wurden, entkommen und überleben.

Anfang April 1945 erging der Befehl durch die Lager-SS, dass 46 Häftlinge, darunter auch Leitner, den man als führendes Mitglied der illegalen Widerstandsgruppe vermutete, beim Lagertor anzutreten hatten. Er versteckte sich daraufhin in der sogenannten Seuchenbaracke und entging dadurch einer womöglich tödlichen Bestrafung. 

Am 11. April 1945 verließen die SS-Mannschaften schließlich sukzessive das Lager. Franz Leitner war nun ebenfalls unter den Gefangenen, die das Lager und sich aus der Herrschaft der Nazi-Schergen befreien und tatsächlich über 200 SS-Männer festsetzen und der 3. US-Armee übergeben konnten. Im sogenannten  „Kinderblock“ befanden sich zu diesem Zeitpunkt fast 400 Jugendliche und Kinder, darunter auch der spätere aschkenasische Großrabbiner des Staates Israel und gegenwärtige Oberrabbiner der Stadt Tel Aviv, Israel Meir Lau. Mit ein Grund, warum Franz Leitner im Jahr 1999 als einer von heute 92 Österreicher:innen die höchste Auszeichnung erhalten hat, die Israel an Ausländer:innen zu vergeben hat und die ihn als „Gerechten unter den Völkern“ ehrt.

Erinnerungen

1999 wurde Franz Leitner mit dem Ehrentitel “Gerechter unter den Völkern” der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem geehrt und ist damit einer von wenigen Österreicher:nnen, die diesen Titel tragen dürfen. In Österreich wurde Leitner erst spät geehrt. So war er Träger des Menschenrechtspreises des Landes Steiermark und seit 2005 des Goldenen Verdienstzeichens des Landes Wien.

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