Kommunismus und KPÖ

Organisierend und verbindend – so soll sie sein, die KPÖ, meint der Bundessprecher und statutarische Vorsitzende Günther Hopfgartner*. Die Fragen stellen Michael Stocker und Mirko Messner für das linke Monatsmagazin Volksstimme

Volksstimme: Die KPÖ war in den vergangenen Monaten durchaus erfolgreich auf lokaler und regionaler Ebene. Siehe Graz, Salzburg oder auch Linz. Was aber ist kommunistisch an der Partei, der unter diesem Label nun auch Chancen auf den Einzug in den Nationalrat eingeräumt wird?

Günther Hopfgartner: Die Forderungen, die unsere Aktivist:innen und Mandatar:innen in organisierenden Kampagnen zur Sprache bringen – also zum Beispiel Mietpreisbremse, Mietendeckel, Preiskontrollen und -festsetzung, Energiegrundsicherung. Die Politik, die wir daraus auch in den Parlamenten oder etwa aus dem Grazer Bürgermeister:innenamt heraus entwickeln, ist kommunistische Politik. Klar, selbst in Graz wird derzeit nicht der Kommunismus eingeführt, aber kommunistische Politik betrieben. Kommunistische Politik, die wir unter den gegebenen gesellschaftlichen Umständen und zur gegebenen Zeit entfalten können und müssen. Kommunismus ist eben nicht ein vorgefertigtes Konzept, das wir per Gesetz einführen, sondern der Orientierungspunkt unsrer Partei, oder wie Marx und Engels schreiben »die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt«. Davon ausgehend können wir fragen, entzieht unsere Politik weitere Bereiche der kapitalistischen Profitlogik, wem nützt sie und verändert sie die Machtbalance zugunsten der Arbeiter:innenklasse? Auf diese Fragen müssen wir jeweils konkrete Antworten finden. Und mit konkret meine ich: im gemeinsamen Tun.

Auch wenn die »Wahrheit immer am Platz liegt«, wie mensch in der Fußballer:innen-Sprache (die du ja auch beherrscht) zu sagen pflegt, also im gemeinsamen Tun konkret wird, könntest du das vielleicht doch auch hier im Interview ein bisschen konkretisieren. Warum wäre das, was du beschreibst, kommunistische Politik?

Günther Hopfgartner: Drei Punkte dazu: Erstens, die Forderung nach einer Energiegrundsicherung, also nach einer kostenlosen Grundmenge Energie für jede:n, um in Würde leben zu können, ist so ein Beispiel. Wenn die Grundbedürfnisse gesichert sind und der Energieverbrauch darüber hinaus progressiv teurer wird, dann ist das eine wirkungsvolle Maßnahme sowohl gegen Energiearmut als auch im Kampf gegen die Klimakrise. Sie verbindet somit die unmittelbaren Interessen »der Klasse« mit einer transformatorischen gesellschaftlichen Perspektive sowohl ökologisch als auch in der Frage der Eigentumsverhältnisse und der Kontrolle und Verfügung über gesellschaftliches Eigentum. Zweitens, die Forderung nach einer Mietpreisbremse. Das würde ganz konkret bedeuten, die private Verfügungsgewalt über Kapital, hier in der Form von Wohnraum, zu beschränken. Beides ist noch nicht der Sozialismus, aber beide Maßnahmen sind konkret nützlich für die Arbeiter:innenklasse und sie würden den Einfluss der kapitalistischen Profitlogik in zentralen Lebensbereichen stark beschränken. Gleichzeitig ist klar, beide Forderungen können wir nur begrenzt durchsetzen, etwa wenn in Graz die Mieterhöhungen in Gemeindewohnungen ausgesetzt werden. Uns geht es aber nicht nur darum, mit klugen Forderungen »Vater Staat« anzurufen. Und da kommt der dritte Punkt ins Spiel, die solidarische Praxis. Egal ob Küchen für alle, Kleidertauschpartys oder Mietrechtsberatung, das sind alles Beispiele, wo wir Solidarität – und das ist letzt- lich ein Kern des kommunistischen Projekts – real erlebbar machen. Mehr als das, Menschen können sich da auch selbst einbringen und so daran teilhaben. Wer bei uns ein Chili sin Carne isst, bekommt gewissermaßen einen Vorgeschmack auf den Kommunismus.

Aber ist dazu eine kommunistische Partei überhaupt notwendig?

Günther Hopfgartner: Klassenkampf findet tagtäglich, an vielen gesellschaftlichen Orten – individuell wie auch kollektiv – auch ohne eine Partei statt. Die Partei ist aber dazu da, ihn zu organisieren und diverse gesellschaftliche Kämpfe miteinander zu verbinden bzw. aufeinander zu beziehen. Auf einer analytischen Ebene bedeutet es, antagonistische (Klassen-)Interessen in gesellschaftlichen Institutionen, Politik, Medien etc. zu benennen und zu organisieren. Auf einer praktischen Ebene bedeutet es unter anderem politische Subjekte herauszubilden, die gerade auch in krisenhaften Zeiten gesellschaftliche Transformation vorantreiben – in der KPÖ wie auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen und Bewegungen. Und die schon erwähnten solidarischen Praxen sollten diesbezüglich Teilhabe an politischer Arbeit für viele ermöglichen. Wenn wir also unsere Aufgabe erfüllen, dann verbinden wir gegenwärtige Kämpfe miteinander, jene aber auch mit vergangenen Erfahrungen und dem Horizont einer kommunistischen Zukunft. Letzteres unterscheidet unser Konzept von Partei auch von der Herangehensweise etwa einer NGO oder auch von sozialen Bewegungen, deren Teil wir auch sind und in die wir uns einbringen.

Erkläre bitte »verbindende« Partei, und ihre Rolle in solidarischen Praxen?

Günther Hopfgartner: Die Idee der verbindenden Partei kommt von Antonio Gramsci. Gramsci hat die Verbindung unterschiedlicher Interessen und gesellschaftlicher Institutionen unter dem Dach der (kommunistischen) Arbeiter:innenpartei im Auge gehabt. Das ist historisch nachvollziehbar. Einen anderen relevanten Akteur gab es in Italien vor hundert Jahren auch gar nicht. Wir stehen jedoch vor anderen gesellschaftlichen Voraussetzungen, da sich unsere Gesellschaft heute ausdifferenzierter darstellt. Als kommunistische Partei sehen wir weiterhin, dass unsere Funktion eine verbindende ist. Allerdings muss nicht alles unter einem Dach der Partei stattfinden. Im Unterschied zu Gramscis Italien gibt es heute andere Akteur:innen in und um die Arbeiter:innenbewegung. Verbindend bedeutet daher für uns heute, auch in unterschiedlichen Vereinen, Bewegungen, Bündnissen und Institutionen aktiv zu sein. Die kommunistische Partei ist somit der Ort des strategischen Austausches und der Herausbildung von Aktiven, die Verbindungen zu und zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Orten der Auseinandersetzung schaffen können – und damit also im Sinne einer verbindenden Klassenpolitik wirken.

Was bedeutet in deinem Verständnis heute Klassenpolitik, welche Bedeutung hat sie für die Politik der KPÖ und ihr Selbstverständnis überhaupt?

Günther Hopfgartner: Klassenpolitik bedeutet, antagonistische Interessen zwischen Kapital und Arbeit als wesentlich bestimmend für unser aller Leben zu benennen und aufzuzeigen. Es bedeutet auch, dass wir diejenigen Menschen, die durch ihre Arbeit, sei sie bezahlt oder unbezahlt, den Reichtum der Gesellschaft produzieren und reproduzieren, als politisches Subjekt der Veränderung ansprechen und nicht vorrangig als Nutznießer:innen staatlicher Politik. Die Kapitalseite und ihre vielfältigen Vertreter:innen sind ja stets bemüht, dieses Verhältnis zugunsten einer vermeintlich »natürlichen« und damit alternativlosen Ordnung zu verschleiern. Diese Ideologie wird uns dann auch umfassend medial vermittelt. Nun ist es aber so, dass die zunehmenden Krisen den allermeisten Menschen immer deutlicher vor Augen führen, dass kapitalistische Profitinteressen zum einen extreme Ungleichheiten produzieren und die Versprechen nach einem einigermaßen guten Leben, selbst in den kapitalistischen Zentren, immer brüchiger werden. Zum anderen ist wohl so gut wie allen klar, dass dieses Wirtschaftssystem auch an seine ökologischen Grenzen stößt, wir daher dringend über sozialistische Erfahrungen und Alternativen nachdenken müssen. Also wie ein »selbstbestimmtes, gutes Leben für alle« – die vielleicht einfachste Definition von Kommunismus – unter dem gegebenen Stand unserer Produktivkräfte wie auch den natürlichen Ressourcen aussehen kann.

Was sind die Perspektiven der Entwicklung der KPÖ in den kommenden Jahren?

Günther Hopfgartner: Als KPÖ haben wir bereits in der vorangegangenen Periode jungen Tendenzen die Tür geöffnet und – in den letzten zwei Jahren, seit unserem letzten Parteitag – große Schritte vorwärts gemacht, was die Partei im Inneren betrifft. Diese Schritte im Parteiaufbau sind nun auch in den Erfolgen außen ablesbar und eröffnen uns neue Möglichkeiten. Es ist nicht mehr angestaubt oder irgendwie randständig, sich als KPÖ-Wähler:in oder Sympathisant:in zu deklarieren. In den nächsten Jahren werden wir genau hier ansetzen. Einerseits den Parteiaufbau vorantreiben, andererseits unsere neuen Möglichkeiten nutzen. Dies entlang unserer langjährigen Kernthemen, die in Österreich, laut einer aktuellen Gallup-Umfrage, durchaus mehrheitsfähig sind. Diese reichen vom Thema leist- bares Wohnen, über die Abschaffung von Militärbündnissen, zur Besteuerung von Reichen bis zur Abschaffung der Zweiklassenmedizin. Eine Gefahr wird in den nächsten zwei, drei Jahren wohl sein, dass unsere Wahlerfolge uns zu einem Wahlverein machen, wir uns zu sehr auf Parlamente orientie- ren und damit den Fehler vieler anderer linker Parteien wiederholen. Aber wer braucht eine kommunistische Partei, die gesellschaftlich nicht organisierend wirkt? Zumal in Zeiten der multiplen Krisen? Daher müssen wir künftig auch verstärkt auf den Aufbau der verbindenden Partei sowie solidarischer Praxen im Alltag setzen.

Was sind deiner Meinung nach die programmatischen Eckpfeiler der KPÖ, die es offenbar erst noch zu befestigen gilt?

Günther Hopfgartner: Programmatisch kann natürlich viel erweitert und ausdifferenziert werden. Das ist wichtig. Wichtiger ist aber, dass wir es schaffen, unsere Programmatik gemeinsam mit Betroffenen und Akteur:innen aus den jeweiligen sozialen Feldern zu entwickeln und nicht »für diese« zu agieren. Dies auch im Sinne unseres Konzepts von organisierender wie auch verbindender Partei. Strategisch gilt es dabei auf jene Themen zu setzen, die einerseits eine zentrale Rolle im gegenwärtigen Kapitalismus einnehmen, als sich auch zunehmend krisenhaft im Alltag der Menschen bemerkbar machen. Das ist natürlich das Thema Wohnen, aber auch Gesundheit und Pflege, die Teuerung, Krieg und Frieden und nicht zuletzt die eskalierende Klimakrise. Eine weitere Herausforderung ist es, die Diskussion um Alternativen zum gegenwärtigen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem anzustoßen. Es geht also um Fragen der Transformation in Richtung einer öko-sozialistischen Gesellschaft. Auch hier geht es nicht darum, dass wir als Partei alleine Antworten finden, denen dann der Rest der Gesellschaft zu folgen hat, sondern darum, eine gesamtgesellschaftliche Diskussion zu Weg und Ziel anzustoßen und uns darin aktiv einzubringen.

Dieser Beitrag ist zuerst in der Volksstimme vom September 2023 erschienen.

*Anmerkung: Die Antworten in diesem Interview stammen aus einem Redaktionskollektiv rund um Günther Hopfgartner.