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Günther Hopfgartner:
Politische Vorhaben der KPÖ 2023

Im Juni 2021 wurden neue Sprecher:innen der KPÖ samt neuem Parteivorsitz gewählt. Ziel der neuen Parteiführung ist seitdem, die KPÖ durch ein Mitgliederwachstum zu verjüngen und durch vermehrte Aktivitäten und Erfolge nach außen auszustrahlen. In vielen Bereichen hat die KPÖ in den letzten eineinhalb Jahren einen großen Sprung vorwärts gemacht. Anlässlich der jüngsten Sitzung des Bundesvorstandes der KPÖ hat der Parteivorsitzende Günther Hopfgartner darauf aufbauend die Vorhaben der Parteiführung für 2023 präsentiert. Diese sollen auch im Zuge einer Online-Veranstaltung im März Partei-intern präsentiert werden. Hier geht es zur Anmeldung. Im folgenden vorab ein kurzes Gespräch zu den Vorhaben.

Im Juni 2021 wurde eine neue Leitung der KPÖ gewählt. Du bist seitdem Parteivorsitzender. In den letzten eineinhalb Jahren hat sich viel getan. Welche Veränderungen siehst du in der KPÖ seitdem?

Günther Hopfgartner: Sehen tut man zum Beispiel allerorten renovierte Parteilokale. Das klingt zunächst noch nicht besonders politisch oder gar spektakulär, ist für uns aber ein wichtiges Zeichen, das die Mitglieder gesetzt haben. Schließlich haben wir nicht die finanziellen Ressourcen, um einfach Firmen zu beauftragen, die anfallende Arbeit zu bewerkstelligen, sondern müssen uns auf die Arbeitskraft und Kreativität unserer Mitglieder verlassen. Sie haben zahlreich Hand angelegt und bundesweit Parteilokale wieder herzeigbar, und vor allem wieder umfassend nutzbar gemacht. Möglich ist das natürlich nur, weil wir auch vermehrt Unterstützer:innen haben, die für konkrete Projekte spenden. Diese Kleinspenden sind wichtig für uns, weil wir ja im Gegensatz zu allen anderen Parteien, keine Großspender:innen oder Konzerne hinter uns haben.
Für mich ist das ein vielfaches Statement der Partei: Wir glauben wieder an uns, wir können etwas aus eigenen Kräften schaffen und wir wollen unsere Räume und damit die Partei öffnen, um uns gesellschaftlich und nicht nur in den Parlamenten zu verankern.
Das heißt auch, wir bauen die Partei in der Perspektive einer Massenpartei und nicht eines exklusiven Wahlvereins auf.
Apropos parlamentarisch verankern: Da scheint mir auch einiges weiter gegangen zu sein, wenn ich auf die Wahlergebnisse seit dem letzten Parteitag schaue: Die Erfolge von Graz, Linz, Krems sind ja ohnedies bekannt, aber auch bei den Landtagswahlen in Tirol konnte zum Beispiel in Innsbruck ein überraschend gutes Ergebnis eingefahren werden, das nicht zuletzt auf den erfolgreichen Wiederaufbau der lokalen Parteiorganisation zurückzuführen ist. Auch dort hängt das unter anderem mit der Renovierung und Öffnung des Parteilokals zusammen – und der Tatsache, dass die KPÖ in der Stadt für und mit zahlreichen Menschen aktiv wurde.
Ähnlich auch die Situation in Salzburg: Da hat sich eine Gruppe herausgebildet, die systematisch die Voraussetzungen geschaffen hat, um der erfolgreichen Arbeit unseres Gemeinderats, Kay-Michael Dankl, auch eine gesellschaftspolitische Entsprechung zu geben. Das heißt auch für Salzburg: Renovierung unserer Räume, Öffnung der Räume mit solidarischen Projekten und von dort und den Erfahrungen aus dem Gemeinderat ausgehend, die Entwicklung einer politischen Praxis, von der Salzburger:innen profitieren, wo sie sich aber auch einklinken und mitarbeiten können.
Das Ergebnis dieser Anstrengungen wird jetzt sichtbar. Unglaublich viele Interessenten melden sich bei der Salzburger Partei, um mit zu arbeiten oder Mitglied zu werden, die solidarischen Aktivitäten wie die Lernmittelbörse etc., werden angenommen und es gibt mittlerweile Meinungsumfragen, die der KPÖ bei den bevorstehenden Landtagswahlen derzeit bis zu 4 Prozent prognostizieren. Die Kampagne zum Antritt zu den Landtagswahlen war zudem sehr erfolgreich – und wir haben wieder zeigen können, dass die KPÖ ihre Mitglieder auch bundesweit zur Unterstützung lokaler oder regionaler Aktivitäten wie Wahlantritte etc. mobilisieren kann.

Hand in Hand mit dem Mitgliederwachstum und der Verjüngung der Partei in den letzten Monaten nimmt die KPÖ auch zunehmend wieder eine verbindende Rolle ein. Welche spezielle Rolle siehst du hier für die Bildungsarbeit der Partei, die mit Anfang des Jahres neu gestartet wurde?

Günther Hopfagrtner: Wir haben ja die KPÖ am jüngsten Parteitag wieder als “verbindende Partei” mit einer klaren Perspektive auf Klassenpolitik positioniert. Das heißt, das Wesen der Parteiarbeit besteht darin, einerseits die Erfahrungen, Interessen, Aktivitäten und Kulturen der Mitglieder und des Partei Umfelds miteinander in Beziehung zu setzen und daraus wesentlich auch Theorie und Praxis der Partei zu entwickeln.
Dafür braucht es aber Menschen, die zentrale Organisations-, Kommunikations- und Leitungsaufgaben übernehmen. Diese “Kader” gilt es auszubilden und umfassend politisch zu bilden. Das ist eine der Aufgaben der Bildungsarbeit der Partei.
Zum anderen geht es auch darum, die inhaltliche Debatte in der Partei zu entwickeln und auf ein entsprechendes Niveau zu heben. Wenn ich nämlich, wie vorhin erwähnt, als wesentliches Prinzip der Parteiarbeit verstehe, diverse Erfahrungen, Kulturen und Interessen miteinander in Beziehung zu setzen, braucht es dafür eine gemeinsame Praxis, aber auch eine gemeinsame theoretische Grundlage.
Die Bildungsarbeit dient somit auch dazu, für uns die Werkzeuge zu entwickeln, mit denen wir Wirklichkeit erfassen sowie unsere Praxis reflektieren und entsprechend orientieren können.
Und die Bildungsarbeit der Partei schafft – über Veranstaltungstätigkeit, Publikation etc. – auch Möglichkeiten, in den linken und in den gesellschaftlichen Diskurs einzugreifen.
Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, haben wir die Bildungsarbeit der Partei auf neue Füße gestellt: Einerseits haben wir eine Stelle für die Bildungsverantwortung geschaffen und zudem um den Bildungsverantwortlichen herum eine Arbeitsgruppe installiert, die entsprechende Konzepte entwickelt, zudem organisatorisch unterstützend wirkt und dafür sorgt, dass Bildungsarbeit eine Aufgabe aller Partei Ebenen, bis zu den Grundorganisationen wird.
Wie gesagt, ein ambitioniertes Vorhaben, aber ich denke man sieht auch diesbezüglich schon erste Erfolge. Die Crashkurse für Neumitglieder laufen ja schon erfolgreich und werden jetzt um ein darauf aufbauendes Modul für Mitglieder ergänzt. Diverse Buchvorstellungen, mit denen wir auch durch die Bundesländer touren, haben auch schon Aufmerksamkeit erregt und werden fortgesetzt, etc. etc.

Im kommenden Jahr drängen sich organisatorische wie auch thematische Fragen auf. Welche organisatorischen Schritte werden 2023 in der KPÖ angegangen werden?

Günther Hopfgartner: Einerseits wird, wie erwähnt, die Bildungsarbeit der Partei neu organisiert, indem wir ein organisatorisches Zentrum schaffen, das aber gleichzeitig eine dezentrale Struktur für die Bildungsarbeit aufbauen soll.
Mit der regelmäßigen Herausgabe des neu gestalteten Argument gestalten wir zudem die inhaltliche Information und politische Kommunikation in der Partei neu und schaffen gleichzeitig ein zentrales Tool für die Agitation.
Zudem wollen wir die Verknüpfung der Parteiorganisationen “im gemeinsamen Tun” ausbauen. Etwa durch eine weitere organisierende Kampagne zum Thema “Wohnen” aber auch durch die Organisation bundesweiter Unterstützung von regionalen oder lokalen Wahlkampagnen – wie wir das zum Beispiel gerade wieder in Salzburg tun.
Entscheidend für den Wiederaufbau und die Belebung der KPÖ wird aber sein, ob es uns gelingt, die Partei-Basis zu aktivieren und die zahlreichen Neubeitritte ins gemeinsame Tun zu integrieren, in dem wir die Grundorganisationen neu aufbauen oder – wo ohnedies aktiv – organisatorisch stärken. Im vergangenen Jahr hatten wir immerhin ein Mitgliederwachstum von 10%.
Ein ganz wesentlicher Ansatz dazu ist, dass wir in und um unsere Räume herum solidarische Projekte aufbauen, die in die Nachbarschaft als ganz praktische Hilfsangebote wirken und eine Ahnung davon vermitteln, was wir unter einer solidarischen Gesellschaft – ganz im Sinne unseres am letzten Parteitag mit großer Mehrheit aktualisierten Positionspapiers – verstehen. Solche Projekte funktionieren aber auch als Andockpunkte für die soziale und politische Praxis der Partei, weil wir dabei im besseren Fall nicht nur zum Beispiel Essen gratis ausgeben, sondern Menschen, die zunächst gekommen sind, um mit uns gemeinsam zu essen, in dieses Projekt einbinden. Und es ist durchaus ein politischer Akt, wenn aus dem gemeinsamen Essen ein gemeinsames Kochen für Alle wird.
Zudem können wir um diese Praxis herum auch Voraussetzungen zur politischen Beteiligung für viele unserer Mitglieder schaffen, wenn wir etwa Treffen der Grundorganisationen mit einer “Küche für Alle” und Kinderbetreuung verbinden.

Welche Schwerpunktthemen siehst du bundesweit für die KPÖ im kommenden Jahr?

Günther Hopfgartner: Die Schwerpunktthemen liegen für uns auf der Hand:
Zum einen die anhaltende Wohnungs-Misere, die durch steigende Energiepreise und die Indexanpassungen von Mieten nochmal verschärft wird. Zu diesem Thema planen wir eine organisierende Kampagne, die uns das ganze Jahr begleiten wird.
Die erwähnten steigenden Kosten für Energie und Mieten und in eklatanten Ausmaß auch für Lebensmittel kann man wohl unter dem Themenbereich “Teuerung” zusammenfassen. An diesem Thema arbeiten wir auch schon geraume Zeit, etwa im Antiteuerungs-Bündnis “Es reicht!”. Diese Aktivitäten – und das Bündnis – wollen wir in den kommenden Monaten noch ausweiten.

“Pflege” ist auch ein wesentliches Thema für uns, sowohl in Zusammenhang mit der Krise des Gesundheitssystems als auch gesellschaftlich im Kontext von sogenannter Care-Arbeit, inklusive Fragen nach Verteilung gesellschaftlich notwendiger Arbeit und deren Bezahlung wie auch Fragen von Arbeitsmigration und Arbeitsrechten.
In diesem Bereich arbeiten im Rahmen der Partei, des Gewerkschaftlichen Linksblocks und des Zentralverbands der Pensionist:innen Aktivist:innen, Expert:innen und Betroffene unter anderen in Pflege-Arbeitskreisen in einigen Bundesländern. Wir wollen diese Aktivitäten in und um die Partei mit diversen Bündnissen verbinden und daraus eine breit aufgestellte Pflege-Initiative entwickeln.

Seit einem Jahr tobt zudem der Ukraine-Krieg, genauer gesagt, der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Krieg und Frieden sind für Kommunist:innen immer relevante Themen, derzeit aber noch verstärkt. Für uns wird es in den kommenden Monaten darum gehen, gegen die allgemeine Kriegstreiberei aufzutreten und der Forderung nach einer diplomatischen Lösung des Konflikts Gehör zu verschaffen.
Auf Perspektive geht es wohl auch um den Aufbau einer breiten politischen Initiative für ein atomwaffenfreies Europa. Ein möglicher Ansatzpunkt dafür ist der Atomwaffenverbot-Vertrag, den Österreich ja – wie zahlreiche andere Staaten auch – unterschrieben hat.
Ein wesentlicher Ausgangspunkt für die Debatte um eine nachhaltige Friedenspolitik wäre für uns eine Idee von einer aktiven Neutralitätspolitik Österreichs. Als KPÖ sind wir wohl die einzige Partei, die mit diesen Positionen seit Jahren auch konsequent auf der Seite der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung steht. Im Gegensatz zu den anderen Parteien oder auch der veröffentlichten Meinung diverser Medien – von rechts bis linksliberal.

Für die KPÖ wird es in den kommenden Monaten aber wesentlich auch darum gehen, all diese Themen miteinander zu verbinden und zudem in Beziehung zum Thema “Klimakrise” – einem weiteren Schwerpunktthema – zu setzen. In diese Debatten – und die Verknüpfung der Debatten – kann die KPÖ vor allem eine Klassenperspektive einbringen. Für mich würde diese Schwerpunktsetzung, in Zusammenhang mit einer Klassenperspektive auf die entsprechenden Themen, ein ökosozialistisches Profil für unsere Partei ergeben.

2024 wird in Österreich ein Super-Wahljahr. Wahlen zum EU-Parlament, Nationalratswahlen, Landtagswahlen in der Steiermark und Gemeinderatswahlen in Salzburg. In Österreich gibt es keine andere linke Partei, die es schafft, bei all diesen Wahlen anzutreten. Welche Aufgabe siehst du hier für die KPÖ?

Günther Hopfgartner: Es gibt von Jänner bis Mai zudem auch noch die Wahlen zur Arbeiterkammer – auch wenn da die KPÖ an sich nicht antritt aber viele KPÖ-Aktivist:innen sehr wohl, wie auch die KPÖ insgesamt natürlich den Gewerkschaftlichen Linksblock unterstützt.
Ich würde meinen, dass die KPÖ, angesichts der Tatsache, dass keine andere linke Partei so “flächendeckend” antritt, also sowohl lokal als auch regional und bundesweit, zudem noch verbunden mit der Europäischen Linkspartei und einer Fraktion im ÖGB und in der Arbeiterkammer, wir auch Wahlpolitik als verbindende Partei mit einer Klassenperspektive organisieren müssen.
Das bedeutet für mich, Wahlpolitik darf nicht abgehoben sein von dem, was wir ansonsten politisch tun, sondern muss daraus entwickelt werden, inhaltlich wie auch organisatorisch.
Entsprechend werden wir bei all den von dir erwähnten Wahlen antreten, nicht um unseren Namen auf einem Stimmzettel zu sehen, sondern tatsächlich, um eine Klassenperspektive, die Perspektive von politischen und sozialen Bewegungen, mit denen wir verbunden sind etc. in die Parlamente zu bringen. Das heißt natürlich auch, dass wir nicht “nur” auf die Wahlen in der Steiermark und den Salzburger Gemeinderat fokussieren, wobei in beiden Fällen nach einigen Umfragen zweistellige Prozentergebnisse möglich sind, sondern erstmals seit vielen Jahrzehnten gibt es auch eine realistische Perspektive auf einen Einzug in den Nationalrat – eventuell auch über ein Grundmandat.
Das bedeutet, die KPÖ wird bei den genannten Wahen antreten, aus meiner Sicht als KPÖ oder “KPÖ und …” und wir werden in den nächsten Wochen schon eine Strategie für die bundesweiten Antritte entwickeln.

Für Kommunist:innen ist die Frage nach “Weg und Ziel” wichtig. Über den Weg haben wir schon kurz gesprochen. Welches Ziel siehst du für die KPÖ in den kommenden Jahren? Welche Partei brauchen wir, um aus den aktuellen Krisen einen Ausweg zu finden?

Günther Hopfgartner: Ich habe vorhin schon davon gesprochen, dass wir die KPÖ als “verbindende Partei mit einer Klassenperspektive und ökosozialistischer Programmatik” ausrichten wollen. Das scheint mir vor allem auch angesichts der aktuell krisenhaften Entwicklung des Kapitalismus eine brauchbare Orientierung zu sein.
Zu den strategischen Überlegungen gehört zudem noch, dass wir die Partei dementsprechend als “Massenpartei” aufstellen müssen, die in der Gesellschaft verankert und aktiv ist. Insofern setze ich bezüglich der Organisationsstruktur auf Stärkung und Neu-Aufbau von Grundorganisationen rund um die erwähnten Projekte einer solidarischen Praxis, die wir letztlich über die lokalen Ansätze hinaus auf Perspektive ebenfalls regional und bundesweit “verbinden” sollten. Dafür gibt es interessante Beispiele in der Geschichte der Arbeiter:innen-Bewegung.
Den Zusammenhalt, “die Einheit” der Partei organisieren wir im gemeinsamen Tun, das heißt vor allem mit organisierenden Kampagnen, der Bildungsarbeit der Partei und der gegenseitigen Unterstützung in Wahlkämpfen auf allen Ebenen. Man kann all das neumodisch Organizing nennen, all diese Ansätze stammen aber natürlich aus dem reichhaltigen Erfahrungsschatz sozialistischer Politik wie auch der Arbeiter:innenbewegung.
Der Aufbau einer solchen, gesellschaftlich verankerten Massen-Partei, wäre mein langfristiges Ziel. Etappen dahin wären etwa der systematische Aufbau der Organisation rund um die Grundorganisationen und ihre solidarischen Praxen, den Aufbau politischer Bündnisse und die Positionierung der KPÖ als “verbindende Partei” in und zwischen diversen Bündnissen und natürlich auch der Einzug in diverse parlamentarische Vertretungen.

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Günther Hopfgartner

Günther Hopfgartner Bundesvorsitzender Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ).