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Stefanie Breinlinger: »Wir sind zu Kampfmaßnahmen bereit – bis hin zum Streik!«

Mitte Oktober haben die Kollektivvertragsverhandlungen im Bereich der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) begonnen. Der SWÖ-Kollektivvertrag (KV) umfasst Sozialberufe im privaten Bereich: von der Pflege, über Jugendarbeit und Nachmittagsbetreuung an Schulen bis zur Behindertenbetreuung. Rainer Hackauf hat Stefanie Breinlinger, die im GLB aktiv ist und selbst im Sozialbereich arbeitet, Fragen zum aktuellen Stand der KV-Verhandlungen gestellt.

Wie ist die Stimmung unter den Kolleg:innen? Was sind die brennenden Themen im SWÖ-Bereich?

Stefanie Breinlinger: Die Kolleg:innen im Sozialbereich erlebten noch größere Belastungen während der Corona-Pandemie als sonst eh schon. Die nicht ausreichende Personal-Situation hat sich verschärft – und damit die Belastungen der Beschäftigten. Immer weniger Leute wollen im Sozialbereich arbeiten. Nicht zuletzt deswegen ist der Kampf um Arbeitszeitverkürzung immer noch ein wichtiges Ziel. Prioritär ist aber diesmal sicher ein hoher Abschluss beim Gehalt. Denn die Kolleg:innen in Teilzeit oder mit Einstufung in den unteren Verwendungsgruppen haben angesichts der hohen Teuerung bereits jetzt Probleme, ihre Lebenshaltungskosten zu decken und drohen in Armut abzurutschen. Dafür ist auch die Erhöhung der Zulagen wichtig, weil diese ein wichtiger Einkommensbestandteil sind.

2020 wurde ein einsetzender Streik auf Druck der Gewerkschaftsspitze beendet. Begründet wurde dies mit der einsetzenden Corona-Krise. Wie ist die Stimmung der Kolleg:innen gegenüber ihren Gewerkschaften?

Stefanie Breinlinger: Der letzte Abschluss galt für 3 Jahre, mit nur einer Stunde Arbeitszeitverkürzung. Dies führte eher zu einer Arbeitsverdichtung. Über den langen Geltungszeitraum hat sich zudem ein ordentlicher Reallohnverlust aufgebaut. Ich denke, dass viele Kolleg:innen vom schlechten KV-Abschluss an sich enttäuscht waren und erbost darüber, dass die Gewerkschaften die Kolleg:innen beim Warnstreik derart eingebremst haben. Erbost auch über die undemokratische Vorgangsweise, wie der Abschluss zustande gekommen ist. Ich bekomme mit, dass die Kolleg:innen die Entwicklungen genau verfolgen und ihnen bewusst ist, für ein starkes Gehaltsplus und Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen kämpfen zu müssen. Die zuständigen Gewerkschaften GPA und vida sind sicherlich deutlich stärker als vor 3 Jahren unter Druck, ein gutes Ergebnis auszuverhandeln.

Du bist auch im Gewerkschaftlichen Linksblock (GLB) aktiv. Der GLB ist mit Thomas Erlach auch im großen SWÖ-Verhandlungsteam vertreten. Erlach war einer der wenigen Betriebsrät:innen, die gegen den schlechten KV-Abschluss 2020 gestimmt haben. Welche Forderungen hat der GLB in Bezug auf die SWÖ-Verhandlungen?

Stefanie Breinlinger: Ja, Thomas Erlach verlangte auch schon bei den letzten Verhandlungen eine Urabstimmung über das Verhandlungsergebnis 2020, mit dem so viele Kolleg:innen so unzufrieden waren. Eine Abstimmung wurde von der Gewerkschaftsbürokratie jedoch abgelehnt.

Ursprünglich wollte der GLB in diesem Jahr einen Fixbetrag von 750 Euro auf das Grundgehalt für alle Verwendungsgruppen, wie es auch die Wiener Betriebsrät:innen gefordert haben. Diese hohe, aber berechtigte Forderung konnten wir im Verhandlungsteam leider nicht durchsetzen. Unter den Umständen ist es als großer Erfolg von Thomas Erlach und anderen zu werten, dass die Mehrheit unserer Verhandler:innen von den 15% und mindestens 350 Euro mehr Grundgehalt zu überzeugen waren. Zwar entspricht es nicht der Höhe, wie wir es uns gewünscht hätten, aber es ist immer noch eine starke Forderung, die höchste Gehaltsforderung bisher im Verhandlungsherbst. Darüber hinaus fordern wir als GLB wir die Zulagen um den doppelten Verbraucherpreisindex zu erhöhen und die 35-Stundenwoche mit vollem Lohn- und Personalausgleich ab 1.1.2023. Und weiterhin treten wir für eine Urabstimmung unserer Kolleg:innen über das Verhandlungsergebnis ein.

In der aktuellen Stellungnahme der GLB-Betriebsrät:innen aus dem SWÖ-Bereich heißt es, »wir [sind] zu Kampfmaßnahmen bereit – bis hin zum Streik!« Wie sieht der weitere Fahrplan für die Verhandlungen aus? Welche wichtigen Eckpunkte gibt es aus heutiger Sicht?

Stefanie Breinlinger: Von 8. bis 10. November sind Aktionstage in den Bundesländern geplant. Es finden Betriebsversammlungen und kleinere Veranstaltungen im öffentlichen Raum statt. Je mehr Betriebe da mitmachen, desto klarer ist das Signal. Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 16. November anberaumt. Sollte diese nicht zufriedenstellend verlaufen, wird es dann Absprachen zwischen Betrieben und Gewerkschaften über Kampfmaßnahmen geben – bis hin zum Streik.

Wie kann man weiter über die laufenden Verhandlungen informiert bleiben?

Stefanie Breinlinger: Informieren kann man sich über die Homepages von GPA und vida. Von der GPA weiß ich, dass sie auch Aussendungen zum aktuellen Stand der Verhandlungen an ihre Mitglieder macht. Die Information im Betrieb ist sehr wichtig in diesem Prozess. Die Betriebsrät:innen sind laufend von den Gewerkschaften informiert und sollten die aktuellen Infos an die Belegschaft weitergeben. Die Kolleg:innen sollen auch Infos bei ihren Betriebsrät:innen einfordern, wenn sie nicht zur Verfügung stehen.

Natürlich finden sich Infos auf der Homepage des GLB. Wir bauen zudem gerade ein Netzwerk von Betriebsrät:innen und Kolleg:innen im Sozialbereich in ganz Österreich auf und freuen uns auf Zulauf. Zur Vernetzung haben wir auch eine Signal-Gruppe gegründet. Interessierte können sich gerne bei mir unter ooe@glb.at melden.

Zur Person Stefanie Breinlinger

Stefanie Breinlinger ist Soziologin und Sozialarbeiterin. Sie arbeitet mit Menschen mit Beeinträchtigung bei FAB, engagiert sich im GLB und der KPÖ in Oberösterreich.