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Gerlinde Grünn: »Als Opposition Impulse setzen und einen langen Atem bewahren«

Anfang November 2021 wurde in Linz ein neuer Gemeinderat angelobt. Für die KPÖ war das Ergebnis der vorausgegangenen Gemeinderatswahlen sehr erfreulich. Die jahrelange Arbeit von Gerlinde Grünn und ihrem Team hat sich bezahlt gemacht. Mit Michael Schmida gibt es seitdem einen zweiten kommunistischen Gemeinderat in der drittgrößten Stadt Österreichs. Rainer Hackauf hat Gerlinde Grünn aus dem Anlass zum Interview getroffen.

Mit zwei Mandaten habt ihr bei den jüngsten Gemeinderatswahlen Klubstatus errungen. Wie hat sich deine Arbeit im letzten Jahr verändert?

Gerlinde Grünn: Wir können jetzt Anträge einbringen, bekommen die Kontrollamtsberichte und können auch aktuelle Fragestunden beantragen. Als Fraktion haben wir jetzt auch einen Raum im Rathaus bekommen, den wir für Sitzungen und Sprechstunden nutzen können. Unser Aktionsfeld im Gemeinderat ist also größer geworden und auch die mediale Wahrnehmung für unsere Tätigkeit hat sich erhöht. Wir haben uns auch die Ausschüsse aufgeteilt, Michael übernimmt die Verkehrs- und Planungsagenden und ich bin im Sozial- und Kontrollausschuss. Das bringt auch eine Intensivierung mit sich, da man sich auf sein Interessensfeld konzentrieren kann. Da wir ja auch all die Jahre davor die Gemeinderatsarbeit als Kollektiv betrieben haben, klappt die Zusammenarbeit wunderbar und wir werden auch als Kollektiv von kommunalpolitisch Interessierten unter dem Motto „Wir sind Gemeinderat“ weiterarbeiten.

Das Thema Teuerungen bestimmt gerade den Alltag sehr vieler Menschen. Die kommunistisch regierte Stadt Graz hat die Anhebung der Richtwertmieten ausgesetzt. Auch die Anhebung bei kommunalen Gebühren wurde ausgesetzt. Wie verhält sich der Linzer SPÖ-Bürgermeister in dieser Situation?

Gerlinde Grünn: Die Stadt Linz hat schon 1982 das städtische Wohnungsamt aufgelöst und die Agenden an die GWG (Gemeinnützige Wohngesellschaft der Stadt Linz) übertragen, bis heute sind über die Jahre alle Wohnungen in das Eigentum der GWG übergegangen. Damit sind die Möglichkeiten des Gemeinderats auf die städtische Wohnpolitik Einfluss zu nehmen gering. Lediglich die Stadtsenatsparteien können Aufsichtsräte entsenden, Anfragen bleiben unbeantwortet, da es sich durch die Auslagerung nicht mehr um einen stadteigenen Wirkungsbereich handelt. Eine Resolution der KPÖ für einen Delogierungsstopp in GWG-Wohnungen wurde zwar vom Gemeinderat angenommen, sie hat aber lediglich einen Appellcharakter. Es war und ist eine alte Forderung der KPÖ Linz diesen Prozess der Auslagerung des Wohnens wieder umzudrehen und die städtische Wohnungspolitik und damit die GWG wieder zu demokratisieren. Damit Interventionen wie sie in Graz bezüglich der Nichterhöhung der Richtwertmieten vorgenommen wurden auch in Linz aus dem Gemeinderat heraus möglich sind. Generell kann man sagen, dass Linz durch seine vielen Auslagerungen in stadteigene Firmen den demokratischen Spielraum für den Gemeinderat stark eingegrenzt hat. Der Linzer Bürgermeister bekennt sich zur Formel – die Stadt als Firma – und sieht hier keinen Änderungsbedarf.

Auf kommunaler Ebene sind die Handlungsmöglichkeiten – zumal für eine Oppositionspartei – beschränkt. Welche Anträge rund um das Thema habt ihr in den Gemeinderat eingebracht? Was sind eure Lösungsvorschläge?

Gerlinde Grünn: Es war mir immer ein Anliegen besonders sozialpolitische Themen einzubringen. Ob das unser Engagement für flüchtenden Menschen, Armutsreisende oder Menschen mit geringem Einkommen war. Oft geht es nicht nur darum etwas Umsetzen zu können, sondern auch darum Haltung zu zeigen und die Welten der Ausgegrenzten auch im Gemeinderat zur Sprache zu bringen. Auch wenn diese Anliegen nicht mehrheitsfähig sind und auf starken Gegenwind stoßen. Auch die Aufdeckung von Missständen gehört dazu. So hat etwa eine unserer Anfragen an den Bürgermeister über den Auszahlungstand eines städtischen Coronahilfsfonds dessen Unbrauchbarkeit aufgedeckt, weil nur eine geringe Anzahl von Hilfesuchenden die bürokratischen Antragshürden schafften. Der Hilfsfond wurde daraufhin reformiert und damit doch noch hilfreich. Ein Antrag für einen zusätzlichen Energiegutschein für HeizkostenbezieherInnen wurde umgesetzt, ein Antrag für ein kostenloses Mittagessen in den städtischen Kinderbetreuungseinrichtungen scheiterte jedoch in der letzten Gemeinderatssitzung. Mit einer aktuellen Stunde im Gemeinderat haben wir das Thema Teuerung und was die Stadt tun kann thematisiert und damit in den Gemeinderat getragen. Man kann als Opposition Impulse setzen, im besten Fall Mehrheiten finden und wichtig ist es immer einen langen Atem zu behalten!

In den letzten Jahrzehnten wurden stadteigene Betriebe ja immer mehr ausgegliedert. Formal sind sie oft noch im Besitz der öffentlichen Hand. Sie werden aber nicht im Interesse der eigenen Bevölkerung geführt, wie die aktuelle Diskussion um Energieversorger deutlich macht. Wie schaut das in Linz aus? Wie kann man die öffentliche Infrastruktur wieder unter demokratische Kontrolle bringen?

Gerlinde Grünn: Wie schon oben geschildert ist Linz ein Eldorado der Ausgliederung städtischer Betriebe. Die neoliberale Formel die Stadt als Firma trifft hier voll zu. Intransparenz, mangelnde Information und Entdemokratisierung sind das Thema. Der Gemeinderat als oberstes Organ ist inzwischen vieler Aufgaben und Einflussmöglichkeiten entkleidet. Besonders in Krisenzeiten tritt das gerade in der Daseinsvorsorge ans Licht und es wird vielen bewusst, dass mit diesen Strukturen keine krisenfesten Lösungen für die Stadtbevölkerung geben kann. Für Veränderung brauchen wir aber Druck von unten und es gilt kluge Utopien gemeinsam mit vielen zu entwickeln, wie Daseinsvorsorge demokratisch und zu Gunsten aller funktionieren kann.

In den letzten Monaten hatten wir als KPÖ viele Neueintritte. Auch in Oberösterreich sind neue, oftmals jüngere Mitglieder dazugekommen. Neuer Schwung für die Partei?

Die KPÖ ist im Aufwind. Der Wahlerfolg in Graz hat so manche auf die KPÖ aufmerksam gemacht und dass spüren auch wir in Oberösterreich. Auch die Initiativen der Bundespartei etwa SOS-Miete wecken Interesse und die Zusammenarbeit mit der Jungen Linken trägt ihre Früchte. Für uns stellt sich nun die Herausforderung neue Mitglieder, die auch aktiv werden wollen, in die Partei zu integrieren und so den Schwung mitzunehmen.

Du bist bei den Wahlen 2021 erstmals auch als Kandidatin für das Amt der Bürgermeisterin ins Rennen gegangen. Gereicht hat es noch nicht. Was meinst du, wann wird es auch in Linz die erste kommunistische Bürgermeisterin geben?

Gerlinde Grünn: Ich sehe da großes Potential bei unseren jungen AktivistInnen, vielleicht ist ja da eine Elke Kahr von Linz schon in Startposition. Ich wünsche mir jedenfalls, dass unser kommunalpolitisches Kollektiv weiter so gut zusammenarbeitet und auch die Freude und Kraft für die oft mühsame Arbeit nicht verliert.

Zur Person Gerlinde Grünn

Gerlinde Grünn ist Sozialpädagogin. Sie ist seit 2009 für die KPÖ im Linzer Gemeinderat tätig.