Die Misere mit der Miete

Warum wir einen Mietendeckel brauchen

Von Tobias Schweiger

 

Wer in Wien bei der Mietervereinigung einen Termin braucht, muss bis April warten. Zum Jahreswechsel wurden erneut zahlreiche Mieten erhöht. Drei Mieterhöhungen im letzten Jahr waren keine Seltenheit. Davon waren die Kategoriemieten und jene Mieten betroffen, die nicht durch das Mietrechtsgesetz (MRG) gedeckelt werden. 

 

Ab heuer 14 Monatsmieten? 

Ein Beispiel einer befreundeten Wohngemeinschaft zeigt das Ausmaß dieser Erhöhungen: Von ursprünglich 1.080€ wurde die Miete auf insgesamt 1.218€ erhöht. Das heißt 1.646€ mehr pro Jahr, mehr als eine dreizehnte Monatsmiete. Für viele Mieterinnen und Mieter heißt es jetzt beim Essen doppelt sparen. Lebensmittel werden, wie wir wissen, ebenfalls massiv verteuert. 

Bereits im April droht die nächste Welle. Da kommt die nächste Erhöhung der Richtwertmieten auf rund 400.000 Haushalte zu. 8,6 Prozent werden die Mieten weiter nach oben gehen, nach 5,8% im letzten Jahr. Im Durchschnitt werden das fast 500 Euro pro Jahr sein.

Neben den befristeten Verträgen, die die Mieten seit Jahren in die Höhe schnellen lassen, treiben sich Mieten und Inflation gegenseitig an. Die Mieten werden mit der Teuerung erhöht. Und jede Mieterhöhung wirkt zurück auf die allgemeine Teuerung – denn die Mieten werden in die Inflationsrate gerechnet. 

 

Einbahnstraße Mietzins

Anders als bei den Gaspreisen ist das eine doppelte Einbahnstraße: Bei Energiepreisen können wir Druck machen, dass die sinkenden Gaspreise am Energiemarkt an uns Haushalte weitergegeben werden. Mieten dagegen werden mit der Teuerung erhöht, aber sinken nicht wieder. Davon profitieren die Wohlhabenden in Österreich. 80% der Mieten gehen direkt von den Haushalten mit niedrigeren Einkommen an die oberen 10%.
Mieten sind für einige Haushalte schon jetzt der größte Brocken der Teuerungskrise. Mittelfristig kosten die Mieterhöhungen alle Mieterinnen und Mieter mehr als die Energiekrise. Wird gegen die steigenden Mieten nichts unternommen, beschleunigen sie vor allem die Umverteilung von unten nach oben in unserer Gesellschaft. 

 

Geplatzte Einigung der Regierung

Die verhandelte Lösung der Regierung ist geplatzt. ÖVP und Grüne planten, die Erhöhung der Richtwerte im April auf 3,8 anstatt 8,6 Prozent einzugrenzen. 2024 hätten es ebenfalls 3,8 Prozent werden sollen und 2025 nur ein Prozent – so wäre man insgesamt in den nächsten drei Jahren auf eine Erhöhung um 8,6 Prozent gekommen. Eine schwache Lösung. Doch für die ÖVP noch immer zu viel. Ohne Gegengeschäft bei der Grunderwerbsteuer war sie selbst für diese kleine Mietenbremse nicht zu haben.
Offenbar sind diese Mietsteigerungen kein Problem für das Kernklientel der Grünen. Bleiben die Grünen der Regierungseinigkeit treu, heißt das unumkehrbare Verluste für zahlreiche Haushalte. Da helfen auch weitere Ausgleichszahlungen nicht: Die können dann der Einfachheit halber gleich auf die Konten der vermögendsten 10% unserer Gesellschaft überwiesen werden. Die Sozialdemokratie dagegen beweist, dass ihre Anwürfe gegen die Regierung oppositioneller Populismus sind: Dort, wo sie es problemlos könnten, steigen sie selbst auch nicht auf die Mietenbremse. Und so erwartet hunderttausende Wienerinnen und Wiener im Gemeindebau eine saftige Erhöhung von 8,6%. Deshalb heißt das für uns, wir müssen es selber richten und Druck aufbauen. Eine bundesweite Kampagne zu diesem Thema ist in Planung.

 

Mietenbremse nur der erste Schritt

Eine Mietenbremse ist unausweichlich. Für die Kategorie- und Richtwertmieten ist das mit einer einfachen Änderung in § 5 Abs. 2 des Richtwert-Gesetzes zu machen: Die drei Parteien müssen nur den 1. April 2023 durch ein anderes Datum ersetzen. Möglich wäre etwa der 1. April 2027. Damit hat die nächste Regierung Zeit, eine grundsätzliche Lösung für die explodierenden Mieten zu schaffen. 

Für über eine Million Haushalte braucht es allerdings andere Lösungen. Eine Mietenbremse für Verträge, die nicht durch das MRG geregelt sind, bräuchte ein Verfassungsgesetz, das zeitweise die Wertsicherungsklauseln der Mietverträge aussetzt. Aber selbst wenn sich eine Verfassungsmehrheit für diesen Vorschlag findet, bremst so ein Gesetz die Mieten auf zu hohem Niveau ein. 

 

Österreich braucht einen passenden Mietendeckel 

In Österreich gibt es seit 1981 einen gesetzlichen Mietendeckel im Mietrechtsgesetz, aber nur für einen Bruchteil der Wohnungen. Nicht einmal 25% aller gemieteten Hauptwohnsitze fallen darunter. Dass es zu systematischen Überschreitungen dieser gesetzlichen Höchstgrenzen kommt, steht auf einem anderen Blatt. Hier braucht es Kontrolle und Sanktionen im Interesse der Mieter:innen.

Die Mieterhöhungen der letzten Jahre und die aktuellen Explosionen am Mietmarkt zeigen jedenfalls: Die bestehenden Deckelungen sind zu wenig. Eine tatsächliche Entschärfung der Krise beim Wohnen gibt es nur mit einer massiven Ausweitung der gesetzlich geregelten Mieten.
Das würde einerseits bedeuten, deutlich mehr Wohnungen in den Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetz zu überführen. Andererseits muss der Richtwert als politisches Instrument verstanden werden, um leistbares Wohnen zu garantieren. Die Ausdehnung der Richtwerte muss dazu genutzt werden, die Einbahn der Mietzahlungen von unten nach oben umzukehren.
Schließlich muss auch der öffentliche Wohnbau wieder zum stärksten Zugpferd für mehr leistbares Wohnen werden. 

Dafür braucht es auch Bewusstseinsarbeit von uns: Es gibt kein Recht auf Profite mit der Miete.