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Michael Graber: »Einmalzahlungen gegen Teuerung sind nicht nachhaltig«

ZVPÖ-Obmann Michael Graber
Diese Woche hat die Regierung ihr Paket gegen Teuerung vorgelegt. Doch wer profitiert davon wirklich? Was bringt das Paket für untere Einkommen? Und welche sozialökologischen Maßnahmen bräuchte es eigentlich? Michael Graber gibt in diesem Interview Antworten darauf. Die Fragen stammen von Rainer Hackauf.

Ganz allgemein gesprochen, wer profitiert, wer verliert durch die aktuelle Teuerungswelle?

Michael Graber: In erster Linie verlieren die unteren Einkommensgruppen, deren Ausgaben sich hauptsächlich aus Waren des täglichen Bedarf, Wohnen und Heizen zusammensetzt. Sie spüren die Explosion der Energiekosten, aber auch den starken Anstieg der Lebensmittelpreise am heftigsten. Zu den Verlierer:innen zählen auch alle, die von Transferleistungen abhängig sind. Denn diese wurden selten der Teuerung angepasst und haben daher über die Jahre massiv an Kaufkraft verloren. Insofern ist es positiv, wenn die Regierung jetzt angekündigt hat, die Sozialleistungen jährlich zu “indexieren”, d.h. an die Teuerung anzupassen, dies allerdings erst ab 2023 und von dem niedrigen Niveau aus.

Gewinner sind die großen Konzerne, die Kraft ihrer Marktmacht ihre hohen Profite in den Preisen weitergeben können. Zwischen den Kosten und den Preisen stecken nämlich noch die Gewinne. Bei den Energieversorgern hat das inzwischen auch eine breite Öffentlichkeit mitbekommen. Aber auch die anderen börsennotierten Konzerne in Österreich weisen Rekordgewinne von zehn Milliarden Euro aus, was zu ebenfalls rekordverdächtigen Dividendenausschüttungen von über drei Milliarden Euro führte. Gewinner ist auch der Fiskus, da jede Preiserhöhung automatisch zu Mehreinnahmen bei der Mehrwertsteuer, und bei inflationsbedingten Lohnsteigerungen – ganz unabhängig von der kalten Progression –  zu vermehrtem Lohn- und Einkommensteueraufkommen führt.

Die Regierung hat gestern ein Paket gegen Teuerungen vorgestellt. Mehr als nur ein Tropfen auf den heissen Stein?

Michael Graber: Die Hauptkritik besteht darin, dass die jetzt angekündigten Teuerungsausgleich-Zahlungen Einmalzahlungen und daher nicht nachhaltig sind. Selbst wenn die Dynamik der Teuerung zurückgehen sollte, was aber derzeit nicht abzusehen ist, bleibt das Preisniveau hoch und die Einkommen niedrig. Das gilt insbesondere und gerade auch für die niedrigsten Einkommen, die trotz der angekündigten jährlich Anpassung von Sozialleistungen auf dem niedrigen Niveau verharren werden. Damit wird die Kluft zwischen diesem niedrigen Niveau und den finanziellen Anforderungen des täglichen Lebens immer größer werden. Man muss auch davor warnen, dass die versprochenen Einmalzahlungen in die bevorstehenden Lohnrunden “eingerechnet” werden, was offenbar auch eine Hoffnung von Regierung und Unternehmern darstellt. So wichtig die staatlichen Ausgleichszahlungen auch sind, sie können nicht den Kampf um höhere Löhne und damit nachhaltige Einkommensverbesserungen ersetzen.Der Kaufkraftverlust der Löhne und Gehälter soll laut WIFO heuer 2,5 Prozent betragen, was der dramatischste Rückgang seit vielen Jahrzehnten ist.

Stichwort »Kalte Progression«, diese hat den Effekt, dass von einer Gehaltserhöhung netto weniger übrig bleibt, weil das höhere Gehalt in eine höhere Steuerstufe fällt. Wie siehst du die Maßnahmen der Regierung in dem Bereich? Anders als propagiert wurde diese ja nur abgeschwächt, nicht abgeschafft?

Michael Graber: Die Abschaffung ist eine langjährige Forderung auch linker Gewerkschafter:innen. Dass sie nicht für die oberste Steuergruppe gelten soll ist positiv. Entsprechend der Ankündigung der Regierung soll die kalte Progression “automatisch” zu zwei Dritteln abgeschafft und der Rest “politisch” verteilt werden. Dies lässt vieles offen. Zu fordern ist daher, dass die unteren Steuergruppen auf jeden Fall von der gesamten Kalten Progression befreit werden müssen. Der von der Regierung einbehaltene Rest, muss darüber hinaus den unteren Einkommensgruppen zugute kommen.

Du bist auch Obmann des ZVPÖ. Was bedeutet das Paket speziell für Pensionist:innen?

Michael Graber: Für die PensionistInnen ist am enttäuschendsten, dass es zu keinem Vorziehen der Pensionsanpassung kommt. Man darf nicht vergessen, dass die Anpassungen vom 1.1.2022 generell 1,8 Prozent und für die niedrigsten Pensionen drei Prozent betragen. All das bei einer laufenden Teuerung von acht Prozent. Die Pensionist:innen gehören daher schon jetzt zu den größten Verlierern. Dazu kommt, dass die offizielle Teuerungsrate am VPI (Verbraucherpreisindex) gemessen wird, die den tatsächlichen Aufwand von Pensionist:innenhaushalten bei weitem nicht widerspiegelt. Der Miniwarenkorb, der auch von der Statistik Austria berechnet wird und den Wocheneinkauf abbilden soll, steigt derzeit um über 14 Prozent. Für viele Pensionist:innen ist es auch eine große Hürde den Energiebonus von 150 bzw. 300 Euro beim jeweiligen Energieversorger zu beantragen, was auch zu einer Beschwerde des ZVPÖ bei der Volksanwaltschaft geführt hat. 

Welche alternativen Maßnahmen zur Bekämpfung der Teuerung siehst du? Was wären linke Antworten?

Michael Graber: Natürlich muss in die Preisentwicklung insbesondere im Energiebereich eingegriffen werden. Dies kann auf Kosten der Überprofite erfolgen, um die Preis-Profitspirale zu durchbrechen. Preisregulierungen für Grundnahrungsmittel sind ebenfalls keine Erfindung linker weltfremder Ökonomen, sondern wurde auch in Österreich bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts praktiziert. Eine Jahrzehnte alte Forderung der KPÖ ist neben der Aufhebung der Mehrwertsteuer auf Mieten, Betriebskosten und Grundnahrungsmittel das Einfrieren der Mieten. Und schließlich geht es auch darum den Krieg in Europa raschest zu beenden und statt der wirtschaftlichen Konfrontation zu einer neuen internationalen Arbeitsteilung zu kommen. Denn die inflationstreibende Spekulation setzt gerade auch an der Kriegshysterie an.

Auslöser der Teuerungswelle sind vor allem die stark gestiegenen Energiepreise. Hier sind die Treiber vor allem fossile Energieträger wie Gas und Öl. Aus ökologischer Sicht sollten diese aber schon lange teurer werden, um der Klimakrise gegenzusteuern. Welche sozialökologischen Antworten siehst du?

Michael Graber: Der Lenkungseffekt der Teuerungen ist umstritten. Die CO2-Besteuerung etwa geht derzeit in der allgemeinen Teuerung unter. Sozialökologisch gesehen kann zusätzliche künstliche Verteuerung nicht durch einmalige Ökoboni sondern nur durch nachhaltige finanzielle Alternativen begleitet werden, sonst zahlen die Schwächsten wieder drauf. Das führt wiederum zu Widerstand gegen notwendige Veränderungen im Sinne der Bekämpfung der Klimakrise. Bei der Mobilität liegen die Alternativen auf der Hand, aber die Umwandlung der 900.000 Gasheizungen in Österreich auf ökologische Alternativen sehe ich als bisher ungelöste Herausforderung, die nicht bei den Einzelnen hängen bleiben kann und darf. Schließlich geht es gerade auch in der Industrie um klimagerechte und gesellschaftspolitisch notwendige Eingriffe, die vorgeblich indirekte Steuerung über Marktmechanismen hat schon bisher versagt.

Titelseite Volksstimme, Jänner 1970: »Hochkonjuktur bei den Preistreibern«
Titelseite Volksstimme, Jänner 1970: »Hochkonjuktur bei den Preistreibern«

Zur Person Michael Graber

Michael Graber ist Volkswirt. Er ist Mitgründer des Kommunistischen StudentInnenverbands (KSV). Von 1982 bis 1990 war er Chefredakteur der Tageszeitung Volksstimme. Bis 2020 war Michael Graber langjähriger Finanzreferent der KPÖ. Seit 2020 ist er Obmann des Zentralverbands der Pensionistinnen und Pensionisten Österreichs (ZVPÖ).

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