Kay-Michael Dankl: »Wer gut verdient, geht eher wählen«

Am 26. Juni-Wochenende stimmte die Salzburger Stadtbevölkerung über ein Millionen-schweres Prestigeprojekt der ÖVP ab: die Erweiterung der Mönchsberggarage im Festspielbezirk. Obwohl die ÖVP auf Demobilisierung setzte, fiel die Beteiligung mit 22% überraschend hoch aus. Das Ergebnis war eindeutig: 84% stimmten mit “Nein”. Damit hat die Bevölkerung die Notbremse gezogen. Anstatt bis zu 60 Millionen Euro an öffentlichen Geldern dafür auszugeben, um mit 600 weiteren Stellplätzen noch mehr Stau und Verkehr in die Stadt zu ziehen, muss die Stadtregierung jetzt umdenken. Ein Erfolg der Stadtbevölkerung.

Die KPÖ PLUS hat in Salzburg sechs Wochen lang dafür geworben, an der Bürgerbefragung teilzunehmen und mit Nein zu stimmen. Warum habt ihr euch dafür engagiert? 

Die von der ÖVP betriebene Garagen-Erweiterung hätte bis zu 60 Millionen Euro an öffentlichen Geldern verschlungen. Dieses Geld braucht Salzburg für wichtigere Dinge, z.B. den öffentlichen Verkehr, für Kinderbetreuung und für leistbares Wohnen. Außerdem ist es verkehrspolitisch absurd, mit zusätzlichen Stellplätzen im Festspielbezirk noch mehr Verkehr in die Stadt zu ziehen. Das verschlimmert das Stau-Chaos, anstatt es zu lösen. Im Gemeinderat hatten ÖVP, SPÖ, NEOS und FPÖ schon vor Jahren für die Garagen-Erweiterung gestimmt. Die Bau-Genehmigungen lagen vor. Die Bürgerbefragung war die letzte Chance, die Notbremse zu ziehen. 

KPÖ PLUS ist ja seit 2019 mit dir als einzigen Gemeinderat im Salzburger Stadtparlament vertreten. Wie habt ihr es mit wenigen Ressourcen geschafft, auf eure Standpunkte aufmerksam zu machen? 

Den Löwenanteil der Mobilisierung leisteten Bürgerinitiativen seit über zehn Jahren, vom mehrmaligen Unterschriften-Sammeln für die Befragung bis hin zur laufenden Medienarbeit. Als KPÖ PLUS haben wir versucht, etwas beizutragen, das sonst niemand macht. Wir haben uns auf Menschen in der Stadt konzentriert, die bisher wenig in die Debatte zur Garagen-Erweiterung eingebunden waren, denen die nächste Monatsmiete mindestens so viel Kopfzerbrechen bereitet wie die Klimakrise und die nicht so im Mittelpunkt der Bürgerinitiativen standen. Neben dem Schutz von Natur und Klima haben wir betont, dass es bei diesem ÖVP-Prestigeprojekt schade um die vielen Millionen ist, die wir für wichtigere Dinge in unserer Stadt brauchen. Dazu haben wir uns auf die großen Wohnanlagen in den nördlichen Stadtteilen konzentriert, die eher weniger wohlhabend sind und eine besonders niedrige Wahlbeteiligung aufweisen. Dort haben wir mit Plakaten informiert, Infostände abgehalten und 30.000 Info-Materialien verteilt. 

Mehrere Bündnisse und Bürgerinitiativen in der Stadt Salzburg engagierten sich schon davor, um die Garagen-Erweiterung abzuwenden. Wie habt ihr in der Kampagne zusammengearbeitet?

Als KPÖ PLUS haben wir schon das Unterschriften-Sammeln unterstützt, damit überhaupt eine Bürgerbefragung stattfinden kann. Das hat mehrere Anläufe gebraucht, weil die ÖVP jede noch so kleine Formalia zum Anlass genommen hat, diese Mitsprache der Bevölkerung zu blockieren. In den Wochen vor der Befragung haben wir einander bei Mitmach-Treffen besucht und uns über die geplanten Aktivitäten ausgetauscht. Dabei haben die Initiative “Nein zum Loch” und das “Aktionsbündnis Mobilitätswende Salzburg” stark darauf hingewiesen, warum aus Klima- und Naturschutz-Gründen der Garagen-Ausbau unvernünftig ist. Es gibt aber auch viele SalzburgerInnen, denen diese Themen auf den ersten Blick weniger wichtig erscheinen. 

Anderen, die im Alltag selbst auf ein Auto angewiesen sind, um Kinder zur Schule zu bringen oder in die Arbeit zu kommen, wollte die ÖVP wiederum einreden, sie würden von der Garagenerweiterung im Festspielbezirk profitieren. Anstatt einen Kulturkampf um das Auto zu zelebrieren, haben wir uns auf die konkreten Zahlen und Argumente konzentriert, die andere auch teilen. Auch viele AutofahrerInnen haben gegen die Garagen-Erweiterung gestimmt. Niemand will, dass Millionen an öffentlichen Geldern für ein ÖVP-Prestigeprojekt in den Sand gesetzt werden, während die steigenden Wohnkosten, die Strom- und Heizkosten sowie die Teuerung den Druck auf die Menschen noch weiter erhöhen. Auch Konservative und ÖVP-WählerInnen haben gegen die Garagen-Erweiterung gestimmt. 

Die Jungen Linken haben sich zudem auf jüngere Menschen konzentriert, die tendenziell weniger in Stadtpolitik involviert sind, und das Thema der fehlende Räume für junge Leute und die fehlende Clubkultur angesprochen. Am Vorabend der Befragung kamen rund um eine “Protest-Party gegen die Garage” der Jungen Linken über 500 junge Menschen zum Feiern in die Mönchsberggarage, um ein Statement zu setzen und dafür zu werben, sein Stimmrecht zu nutzen. 

Wie geht es jetzt weiter?

Nach der Befragung hat eine Gemeinderats-Mehrheit dem Garagen-Ausbau offiziell eine Absage erteilt (mit den 22 Stimmen von SPÖ, FPÖ, Grünen, NEOS und KPÖ PLUS gegen die 17 Stimmen der ÖVP und SALZ). Damit ist die Garagen-Erweiterung vom Tisch. Jetzt geht es darum, das Verkehrs-Chaos in der Stadt Salzburg auf eine soziale und umweltfreundliche Art zu lösen. Das braucht ein Bündel an Maßnahmen, bis hin zum Wohnen: Denn die explodierenden Wohnkosten treiben die Menschen dazu, auf’s Land zu ziehen und in die Stadt zu pendeln. Solange die Politik die Wohnungskrise nicht in den Griff bekommt, kann die Verkehrs- und Klimawende nicht gelingen. 

Außerdem haben wir uns angeschaut, in welchen Stadtteilen wie viele Menschen an der Bürgerbefragung teilgenommen haben. Unsere Analyse zeigt, wie groß die Kluft zwischen den Stadtteilen ist. Der entscheidende Faktor war nicht, wie nahe die Menschen zum Mönchsberg und der drohenden Baustelle wohnten. Das hat nur bei 2-3 Stadtteilen eine kleine Rolle gespielt. Auffälliger war, dass die Beteiligung sehr ähnlich war zur Wahlbeteiligung bei der letzten Gemeinderatswahl 2019. Stadtteile, die dicht verbaut sind, eher weniger wohlhabend sind und eine niedrige Wahlbeteiligung aufweisen, waren auch bei der Bürgerbefragung weniger vertreten, wie die Elisabeth-Vorstadt, Lehen, Itzling oder Schallmoos. Hingegen war die Beteiligung in den wohlhabenderen Stadtteilen im Süden teils doppelt so hoch. Das zeigt: Wer gut verdient, geht eher wählen. Hingegen setzen viele, die sich Tag für Tag mit teuren Mieten, Strom- und Lebenshaltungskosten herumschlagen müssen, oft keine Hoffnung mehr in die etablierten Parteien. Bei der letzten Gemeinderatswahl war nicht einmal jeder Zweite wählen – die Beteiligung sank auf 48%. Die Stadtregierungsparteien nehmen das achselzuckend hin. Schließlich kassieren sie trotzdem 100% der Parteienförderung. Es wäre sinnvoll, die Höhe der Parteienförderung und einen Teil der Politikergehälter von der Wahlbeteiligung abhängig zu machen. Das wäre ein Anreiz für die Parteien, sich wieder mehr um die BürgerInnen zu bemühen und Vertrauen zu schaffen.

Plakatkampagne von KPÖ PLUS Salzburg zur Bürgerbefragung im Juni 2022.

Aktive in Salzburg verteilen Informationsmaterial zur Bürgerbefragung.

Ergebnisse der Bürgerbefragung im Detail

Kay-Michael Dankl

Kay-Michael Dankl ist seit der Gemeinderatswahl 2018 Gemeinderat in der Stadt Salzburg für KPÖ PLUS. Er ist Historiker und arbeitet er im Salzburger Landesmuseum. Kay-Michael Dankl war zuvor in der Jugendorganisation Junge Linke aktiv.