"Viele Menschen fühlen sich von Behörden und der Politik allein gelassen"

Ein Interview mit dem Salzburger

Gemeinderat Kay-Michael Dankl

 20.12.2021

“Tag der offenen Konten” – welche Konten werden dabei geöffnet und warum?

Ich gebe jeden Monat einen Teil meines Gemeinderatsbezugs an Salzburger:innen in Notlagen ab. Als Gemeinderat bekomme ich netto ca. 1.800 Euro im Monat. Davon gebe ich 400-500 Euro ab, um Salzburger:innen in Notlagen zu unterstützen. Finanziell geht sich das aus, weil ich Teilzeit als Kulturvermittler in einem Museum arbeite. Mir ist es wichtig, ein offenes Ohr für die alltäglichen Sorgen und Probleme der Salzburger:innen zu haben. So kann ich direkt helfen und bekomme wertvolle Anregungen für die politische Arbeit. Am Ende eines jeden Jahres stelle ich eine kleine Bilanz vor. Heuer konnte ich 117 Salzburger:innen mit 5.544 Euro unterstützen. Die größten Brocken waren die teuren Wohn- und Energiekosten in der Stadt Salzburg.

Wie schaut dein Alltag als Salzburger Gemeinderat in Zusammenhang mit der Sozialberatung aus? Mit wie vielen Anfragen bist du da durchschnittlich konfrontiert?

Ich habe pro Woche vier bis acht Sprechstunden bei mir im Büro. Menschen, die nicht mehr so mobil sind, besuche ich zuhause. Die Form der Unterstützung ist ganz unterschiedlich. Manchmal reicht es, im Dschungel der Behörden und Ämter den Kontakt zu den richtigen Beratungseinrichtungen herzustellen. Anderen helfe ich beim Ausfüllen von komplizierten Formularen. Bei wieder anderen fällt ein größerer Aufwand an, wenn ich nach dem Gespräch mit Emails, Briefe-Schreiben und Telefonaten versuche zu helfen. Das kann dann auch länger dauern. Diese persönlichen Gespräche brauchen viel Zeit, sind mir aber wichtig.

Gibt es Probleme, die immer wieder auftauchen? 

Am meisten Sorgen bereiten den Menschen die steigenden Wohnkosten. Die Anfragen reichen von der Wohnungssuche, teuren Kautionen, steigenden Mieten, hohen Strom- und Heizkosten, Delogierungen, Fragen zu Mietvertrag bis hin zu fragwürdigen Betriebskostenabrechnungen. Der Hintergrund ist ein trauriger Rekord: Nirgends müssen Menschen so viel von ihrem Einkommen für Wohnen ausgeben wie in der Stadt Salzburg. Bei Mieter:innen fressen die Wohnkosten im Durchschnitt die Hälfte des Haushaltseinkommens auf – bei vielen sogar mehr. Aber wenn eine 70-Quadratmeter-Wohnung kalt über 900 Euro kostet, wie soll eine alleinerziehende Mutter mit 1.300 Euro netto im Monat noch über die Runden kommen?

Wie hängen deine Sprechstunden zu Wohnen und Soziales mit deiner parlamentarischen Arbeit zusammen? Und wie beeinflussen die Einzelschicksale, die du dabei wahrnimmst, deine Politik?

Ich bekomme aus den persönlichen Gesprächen viele Eindrücke, was in der Stadt Salzburg schiefläuft. Das greife ich auf für die Gemeinderatsarbeit, von der Wohnungskrise über den Pflegenotstand bis zum Verkehrs-Chaos. Mit Hinweisen und Ideen, Verbesserungsvorschlägen und, wo nötig, Druck versuche ich die Stadtregierungsparteien dazu zu bringen, diese Probleme anzugehen. Ich bin zwar nur ein einzelner Oppositions-Gemeinderat von vierzig Mandatar:innen in der Stadt Salzburg, aber jede Verbesserung für die Bürger:innen ist ein Erfolg.

Was hat dich zu Beginn deiner Sprechstunden überrascht? 

Wie viele Menschen durch das Netz des Sozialstaats fallen. Vor allem die Kürzung der Sozialunterstützung (früher Mindestsicherung) trifft tausende Salzburger:innen hart. Zum Beispiel die Aufstocker:innen Sie arbeiten, bekommen aber zu wenig zum Leben. Wird das Urlaubs- und Weihnachtsgeld plötzlich angerechnet, verlieren sie an Sozialunterstützung. So müssen immer mehr Menschen entscheiden, ob sie die Miete zahlen oder Lebensmittel kaufen. Auch ältere Menschen mit niedrigen Pensionen müssen sich oft den Kopf zerbrechen, welche Rechnung sie zuerst zahlen.

Viele Menschen fühlen sich von Behörden und der Politik allein gelassen. Von Ämtern hören sie oft nur, diese seien nicht zuständig. Viele SalzburgerInnen, die nicht super-reich sind und keinen so guten Draht in die Politik haben, fühlen sich als “Bürger zweiter Klasse”.

Wo siehst du die Grenzen der Sozialberatung? 

Ich würde gerne viel mehr Salzburger:innen in schwierigen Situationen unterstützen, als sich finanziell ausgeht. Als einzelner Gemeinderat sind meine Mittel beschränkt. Grundsätzlich braucht es für Probleme wie die Salzburger Wohnungskrise politische Lösungen. Die Stadt sollte wieder selbst Gemeindewohnungen bauen, anstatt Investoren den roten Teppich auszubreiten, die unbezahlbare Anlage-Immobilien errichten. Überteuerte Mieten gehören gedeckelt. Und die steigenden Strom- und Heizkosten müssen abgefedert werden. Die Mittel dafür wären vorhanden. Bei Prestigeprojekten sitzt das Geld sehr locker. Die Salzburger Stadtregierungsparteien lassen z.B. jährlich 10 Mio. Euro für den Ausbau der Festspielhäuser fließen. Aber beim Thema Wohnen geht nichts weiter. Da sind die Prioritäten verrutscht.  

Was braucht es darüber hinaus, um im Rahmen deiner Möglichkeiten erfolgreich Kommunalpolitik betreiben zu können? 

Man muss sich für das Leben, die alltäglichen Sorgen, die Wünsche und Ideen der Menschen vor Ort interessieren – und etwas zum Besseren verändern wollen. Man muss ernsthaft den Dialog mit der Bevölkerung, mit Initiativen und engagierten Personen suchen und sich in die öffentlichen Debatten einbringen. Das geht nur mit viel Offenheit für Neues, der Bereitschaft, sich in Themen einzuarbeiten, und sehr viel Ausdauer. Von heute auf morgen geht es nicht. Man muss Woche für Woche dahinter sein. Zu tun gibt es viel, mit Sprechstunden, Bürgergesprächen, Öffentlichkeitsarbeit, Gremien- und inhaltlicher Arbeit, Recherchen und Sitzungen. Ich versuche, dabei keinen Tunnelblick zu bekommen. Dabei hilft, dass ich kein Berufspolitiker bin, sondern gerne im Museum arbeite, in einer Hallenhockeygruppe spiele und gute Freunde abseits der Politik habe.

Was war ein inspirierender Moment in deinem politischen Alltag? 

Da gibt es viele – kleine politische Erfolge wie die Erhöhung des Heizkostenzuschusses ebenso wie schöne Rückmeldungen von SalzburgerInnen. Vor Weihnachten habe ich Mindestpensionist:innen auf die Weihnachtsbeihilfe des Landes über Zeitungsartikel und direkte Anrufe aufmerksam gemacht. Viele haben sich sehr darüber gefreut und sich herzlich bedankt.