»Die radikale Linke in Russland, Belarus und der Ukraine hat mit verschiedenen Schwierigkeiten zu kämpfen.«

Ein Interview mit Daniel Schukovits. Er ist für die KPÖ im Vorstand der Partei der Europäischen Linken (EL).

11.03.2022

Wer ist die Europäische Linke?

DS: Die EL ist ein pluralistisches Bündnis der Parteien links der Sozialdemokratie und der Grünen in Europa. Die KPÖ gehört zu den Gründungsmitgliedern der EL und ist damit das einzige Mitglied aus Österreich. In Deutschland ist etwa unsere Schwesterpartei DIE LINKE Teil der EL. Nachdem nicht nur in den verschiedenen Staaten unterschiedliche politische Voraussetzungen gegeben sind, sondern auch die Parteien teilweise aus verschiedenen politischen Traditionen kommen, ist die EL sehr plural aufgestellt. Das wirkt sich natürlich auch auf die Entscheidungsfindung und Stellungnahmen aus.

Wie sieht die Position der EL zum Krieg in der Ukraine aus

DS: Innerhalb der EL ist in den zwei Wochen vor Kriegsbeginn relativ intensiv diskutiert worden, welche Position man angesichts der Zuspitzung der Lage einnehmen soll. Nachdem es immer noch schwierig ist, sich in Präsenz zu treffen, haben die Diskussionen maßgeblich online stattgefunden was die Entscheidungsfindung nicht unbedingt erleichtert hat.

Ergebnis der Debatte war eine gemeinsame Erklärung, die am 17. Feber, also ungefähr eine Woche vor der Eskalation veröffentlicht wurde. Zentraler Punkt der Stellungnahme war die Aufforderung an die USA, die NATO und an Russland, von den Truppenverlegungen und Militärmanövern Abstand zu nehmen, und wieder in diplomatische Verhandlungen im sogenannten Normandie-Format zur Aufrechterhaltung des Minsker Abkommens zu treten. Die Verhandlungen in diesem Setting hätten Russland, die Ukraine, Frankreich und Deutschland involviert. Das Minsker Abkommen wurde 2015 geschlossen, um einen Waffenstillstand in der Ostukraine zu erreichen, der von der OSZE überwacht werden sollte. Allerdings ist das Abkommen schon von Anfang an brüchig gewesen, sowohl die prorussischen Seperatist:innen als auch ukrainische Truppen, zum Teil rechtsextreme Paramilitärs, haben sich weiter beschossen, aber auch die lokale Zivilbevölkerung.

In dieser Situation hat sich die Stellungnahme der EL vor allem an die Regierungen der EU-Staaten gerichtet, die Verhandlungen wieder aufzunehmen und auf Basis des Minsker Abkommens eine kollektive europäische Sicherheitsstruktur zu errichten, die auch Russland einbezieht. Weitere Punkte der ersten Stellungnahme waren der Aufruf zur Deeskalation, das Verbot von Atomwaffen, und die Betonung des Rechts der europäischen Staaten auf Neutralität. Das heißt auch das Recht die NATO zu verlassen. Obwohl dieser Punkt und die Bewertung der NATO kontrovers diskutiert wurde, hat dieser Konsens letztlich gehalten.

Wie sieht die Position der EL seit Kriegsbeginn aus?

Mit dem Angriffsbefehl der russischen Führung am 24. Feber ist der ursprüngliche Appell weitgehend obsolet geworden. In einer weiteren Stellungnahme hat das EL-Präsidium den russischen Einmarsch verurteilt und als Ergebnis der Spannungen zwischen der NATO und Russland bewertet. Die jetzt stattfindende Eskalation des Konflikts ist nach EL-Einschätzung ein Sicherheitsrisiko für die gesamte Welt. Daher wird erneut für eine Deeskalation und eine diplomatische Initiative plädiert.

Insgesamt habe sich mit dem Kriegsausbruch mitten in Europa gezeigt, dass die NATO ein destabilisierender Faktor ist, während man aber auch die russische Militäraktion als aggressiv und nicht-provoziert verurteilt. Der Fokus der EL liegt in dieser Situation auf dem Schutz der Zivilbevölkerung und der Stärkung der Friedensbewegung auf allen Seiten.

Das letzte Statement der EL in der Angelegenheit wurde am 2. März veröffentlicht. Dabei geht es um die humanitäre Krise, die durch den Krieg ausgelöst wurde, und um die Unterstützung der Friedensbewegung in Russland. Die Aktivist:innen in Russland würden derzeit ihre Freiheit riskieren und deshalb bekennt sich die EL zu einer größtmöglichen Unterstützung auf allen Ebenen. Auch die Wichtigkeit eines Fluchtkorridors und eines erleichterten Zugangs zu Asylverfahren wurden betont.

Hast du einen Überblick über die Situation der Linken in der Ukraine und Russland?

DS: Die radikale Linke in Russland, Belarus und der Ukraine ist unterschiedlichen Traditionen verpflichtet und hat dementsprechend auch mit verschiedenen Schwierigkeiten zu kämpfen. In einem fast historischen Schritt, der an das Jahr 1914 erinnert, hat die Kommunistische Partei der Russischen Föderation, kurz KPRF, die russische Militäraktion quasi initiiert, in dem sie eine Anerkennung der beiden separatistischen sogenannten Volksrepubliken in der Ostukraine im Parlament beantragt hat. Auch der Krieg wird beschämenderweise seitens der Mehrheit in der KPRF unterstützt, während allerdings nach und nach die Kritik an der Parteibasis lauter wird. Zwei Duma-Abgeordnete der KPRF haben den aktuellen Kurs der Partei öffentlich kritisiert. Die Angelegenheit könnte sich zu einer Spaltung auswachsen, wie sie bereits in Belarus vor einigen Jahren passiert ist.

In Belarus gibt es eine Kommunistische Partei, die das Regime von Lukaschenko unterstützt und eine Linkspartei, die der EL beigetreten ist. Mittlerweile ist die Aktivität unserer EL-Schwesterpartei in Belarus weitgehend illegalisiert, viele ihrer Mitglieder sitzen im Gefängnis oder sind – vor Kriegsausbruch – nach Russland geflüchtet. Dort sind sie Teil der Friedensbewegung und kooperieren teilweise mit der Russischen Sozialistischen Bewegung, die sich um ein Naheverhältnis zur EL bemüht.

In der Ukraine ist die dortige Kommunistische Partei seit 2014 weitgehend zerschlagen und verboten. Dieser Tage wurde hat man sich dort noch nicht zum Krieg geäußert, was auch angesichts der schwierigen Situation im Land erklärbar ist. Bekannt wurde in den letzten Tagen zudem, dass der Vorsitzende der Kommunistischen Jugend, Mykhailo Kononovych, in Kiew vom ukrainischen Geheimdienst verhaftet wurde. Die Repression gegen Linke in der Ukraine ist natürlich scharf zu verurteilen. Eine Rechtfertigung für den russischen Angriff kann das aber selbstverständlich nicht darstellen.

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