Die Klimakrise und die Kommunistische Partei

Nach den erfolgreichen Gegenprotesten gegen die Konferenz der Gaslobby in Wien und dem Kongress “Power to the People”, lud die KPÖ zu einer Diskussion zwischen Verena Gradinger von System Change Not Climate Change und dem Bundesparteivorsitzenden Günther Hopfgartner. Gemeinsam diskutierten sie über die Klimakrise, die Strategien von Bewegung und Parteien und welche Rolle die KPÖ für die Klimagerechtigkeitsbewegung spielen kann. 
Moderiert wurde die Diskussion von Martin Konecny (KPÖ)

Du bist hier heute bei einer Veranstaltung unter dem Titel “Die Klimakrise und die Kommunistische Partei”. Welches Verhältnis hat die Klimagerechtigkeitsbewegung zu Parteien? Was sind hier die bisherigen Erfahrungen?

Verena Gradinger: Einen ausformulierten Standpunkt der Klimabewegung gibt es nicht. Was ich heute sage, ist daher auch immer meine persönliche Meinung. Es gibt sowohl Unterschiede zwischen verschiedenen Akteuren, wie etwa Fridays for Future oder System Change not Climate Change, aber auch innerhalb dieser Akteure. 

Grundsätzlich steht die Klimabewegung hier vor einem Problem. Man hat sehr lange gehofft, wenn man die richtigen Parteien, insesondere die Grünen aber auch die Sozialdemokratie anspricht, dann kann man damit Änderungen erzwingen. Etwa haben wir im “Lobau Bleibt” Kontext gehofft, dass man die SPÖ zwar als Gegnerin aufbaut, aber letztlich dort auch gehört wird. Und dasselbe mit den Grünen, dass durch eine grüne Regierungsbeteiligung die Anliegen der Klimagerechtigkeitsbewegung, umsetzen lassen. Diese Hoffnung ist bei den allermeisten erloschen. Ich denke die wenigsten von uns würde heute noch sagen, das ist der richtige Weg. Inwiefern es Sinn macht auch in Parteien zu gehen und sie von Innen zu verändern, ist natürlich nochmal eine andere Frage.

Die Frage, wie das mit einer Kommunistischen Partei anders sein könnte, ist natürlich interessant. Das hängt natürlich auch sehr vom Verständnis von Partei ab. Eine Partei kann natürlich viel mehr sein, als Regierung. Sie kann eine Bewegung sein, sie kann Arbeit in einem Grätzel machen. Und das sind wichtige Ansätze, wo man klimapolitisch etwas bewegen kann. 

Welche Rolle spielt Klimakrise für die KPÖ und welche Rolle kann und soll die KPÖ für Klimagerechtigkeitsbewegung spielen?

Günther Hopfgartner: In der KPÖ spielt die Klimakrise noch nicht die Rolle, die ihr ihrer Bedeutung nach zukommen müsste. Sowohl inhaltlich als auch in der Praxis ist das noch unterbelichtet. Das hängt auch damit zusammen, dass die Zugänge, die wir als KPÖ einbringen könnten, in der Klimagerechtigkeitsbewegung noch unterrepräsentiert sind. Das ist keine Kritik an der Bewegung, aber es gibt Felder, wo es uns als KPÖ brauchen würde. Das hängt mit unserem Parteiverständnis zusammen, dass sich in den letzten Jahren auch neu herausgebildet hat. 

Das Parteiverständnis der KPÖ ist das einer verbindenden Partei, einer Partei, die tatsächlich einen Fokus auf Klassenpolitik hat. Für unsere Praxis ist entscheidend, dass wir die unterschiedlichen Kämpfe, die es gibt, die wir nicht erfinden müssen, in Beziehung setzen wollen. 

Thematisch bedeutet das z.B. die Frage von Krieg und Frieden und Klimagerechtigkeit zu verbinden. Etwa, dass in den Klimaabkommen, die Armeen dieser Welt mit ihren enormen CO2 Bilanzen gar nicht vorkommen. 

SCNC kennen wir z.B. aus dem Anti-Teuerungsbündnis “Es Reicht” und da hat sich gezeigt, dass wir die soziale und ökologische Frage verbinden können. Inhaltlich geht es z.B. darum, wer verdient an der Ausbeutung der Natur und wer zahlt die Zeche. Das ist eine Klassenfrage. Denn es geht auch um die Frage, wie setzen wir die notwendigen Maßnahmen durch? Wer sind die Träger dieser Veränderung und wie bekomme ich sie dazu, diese Veränderungen nicht nur mit zu tragen, sondern auch aktiv zu erkämpfen. Dazu muss ich an den Interessen der Menschen ansetzen. Das ist ein Punkt, wo Verknüpfung gelingen kann. Ich denke, dass die KPÖ hier hilfreich sein kann, nicht immer war, aber sein kann.

Die Klimagerechtigkeitsbewegung steht vor großen strategischen Herausforderungen. Verena, kannst du kurz schildern wie ihr das aktuell diskutiert?

Verena Gradinger: Im Zuge der grünen Regierungsbeteiligung, die gerade der Fridays for Future Bewegung ihren Drive genommen haben, ist die Klimabewegung im deutschsprachigen Raum an einen Punkt gekommen, wo sich alle fragen, was machen wir? Und niemand hat so richtig eine Antwort darauf. Die einen sagen, wir müssen mehr stören, mehr Aufmerksamkeit erzeugen. Die anderen sagen, wir müssen noch mehr Menschen werden, dann wird sich was verändern. Aber die konkrete Frage, wie wird sich etwas verändern und was ist der Hebel dazu, damit haben wir gerade ein großes Problem. 

Der Fokus auf den Diskurs, in der Hoffnung, dann ändert sich etwas, da fehlt mir der persönlich der Glaube daran.

Günther du hast gesagt, wir waren nicht immer hilfreich. Was war die Rolle die die KPÖ in Bezug auf die historische Umweltbewegung in Österreich, etwa in Zwentendorf und Hainburg gespielt hat?

Günther Hopfgartner: Zwentendorf zeigt, wie die KPÖ lange in Bezug auf Ökologie getickt hat. Damals hat die KPÖ in einer großen Konferenz ein „kritisches Ja“ zu Zwentendorf beschlossen. Das war ein Kompromiss zwischen den Studierenden und Intellektuellen der Partei einerseits und dem Gewerkschaftsflüge andererseits. Erstere waren eher gegen Zwentendorf, vor allem aus demokratiepolitischen Überlegungen. Was durchaus ein interessanter Punkt ist, weil mit solchen Großprojekten die Frage nach Demokratie ja tatsächlich eng verknüpft ist. Der Gewerkschaftsflüge war hingen, etwa um die VOEST und deren Aufträge besorgt.  

Das zeigt natürlich auch, wie die kommunistische Bewegung insgesamt, an diesem produktivistischen Modell gehangen hat. Man konnte sich das gar nicht anders vorstellen, als immer mehr und mehr zu produzieren, weil sonst kann man die Bedürfnisse der Klasse nicht befriedigen. Recht eigentlich ist das ja eine sozialdemokratische Sichtweise, nämlich immer mehr zu produzieren, damit genug übrig bleibt, um einen Teil des Mehrprodukts zur Beruhigung an die Arbeiterklasse abgeben zu können. Das war ein Fehler, weil man sich nicht gefragt hat, wann produziert man eigentlich genug, um Grundbedürfnissebefriedigen zu können und wie könnte ich den Entscheidungsprozess, was und wieviel produziert wird, demokratisieren. 

Bei Hainburg war das schon anders. Die KPÖ hat die Bewegung unterstützt, aber man war sehr skeptisch, weil auch Akteure wie die Kronenzeitung und konservative Studierende gegen das Kraftwerk waren. Einen vollen Bruch mit dem Produktivismus gab es aber auch damals noch nicht.

Die Klimakrise ist offensichtlich ein globales Thema. Mein Eindruck ist, dass es der Klimagerechtigkeitsbewegung auch tatsächlich gelingt, transnational zu handeln. Jüngstes Beispiel war die Gaskonferenz und die Gegenproteste in Wien. Wie gelingt das?

Verena Gradinger: In Teilen funktioniert das sehr gut. Die Gaskonferenz war da sicher auch ein besonders gelungenes Beispiel. Die internationale Vernetzung möglich zu machen, ist nur möglich durch den Einsatz von konkreten Personen, die auch viel Beziehungsarbeit machen. Da geht es nicht nur darum, etwa Menschen von Don’t Gas Africa einzuladen, sondern ein Vertrauen langfristig aufzubauen?

Natürlich gibt es aber auch Schwierigkeiten, etwa wie es real gelingt, Bewegungen aus dem globalen Süden einzubinden. Da geht es dann auch um die Frage, was hier mehrheitsfähig ist und was z.B. in Afrika die richtige Entscheidung wäre. 

Wir haben aber sehr internationale Gegner. Das macht es dann oft leicht. Wenn man sagt, Österreich ist ein kleines Land und spielt eigentlich keine Rolle. Ja, aber die OMV ist einer der 100 größten Klimazerstörer der Welt. Und wenn ich hier gegen die OMV vorgehe und es schaffe, dass die OMV in Rumänen nicht mehr nach Gas bohrt, dann ist das ein internationaler Erfolg. Wir haben überall die gleichen Gegner, das fossile Kapital.

Günther Hopfgartner: Die Arbeiterbewegung war zunächst national und hat dann ein bisschen den Punkt verpasst, sich tatsächlich, im gemeinsamen Tun, dauerhaft zu internationalisieren. Da können wir von der Klimagerechtigkeitsbewegung lernen. 

Ein anderer Punkt aber noch, den ich ansprechen möchte: Mein Eindruck ist, dass vieles in der Klimabewegung noch in der Logik der NGOs und des Lobbyismus verhaftet ist. Alles scheint darauf orientiert, Diskurse und Mehrheiten zu verschieben, die sich dann parlamentarisch umsetzen lassen. Und da braucht es eine Ergänzung und zwar als organisierende Kampagne, wo man die Menschen entlang ihrer Interessen organisiert. Natürlich muss man Druck auf die Parlamente machen, aber man muss vor allem Menschen zu Subjekten der notwendigen Transformation machen. Da kann die KPÖ hilfreich sein. Auch wir als KPÖ sind davon natürlich noch weit entfernt. Aber das ist die Perspektive, die wir aufmachen können, in der wir uns als Partei sehen

Verena Gradinger: Da möchte ich gern einhaken. Denn was wir auch diskutieren, ist die Frage “Mobilize or Organize“, also wollen wir die immer gleichen Leute auf Demos bringen, oder wollen wir Massen organisieren. Das ist eine sehr wichtige Frage, aber gleichzeitig überschätzen sich da auch Teile der Klimabewegung, wenn sie glauben, dass wir das alleine machen können. Die OMV zu blockieren und von Haustür zu Haustür zu gehen, das sind völlig verschiedene Sachen und das können wir nicht alles alleine machen.Da wären zentrale Anknüpfungspunkte um sich darüber zu unterhalten, wer was macht und wie sich diese Taktiken gegenseitig verstärken.

Was ist die Klassendimension der Klimakrise und was bedeute das strategisch?

Verena Gradinger: Das ist eine große Frage, über die man eine eigene Veranstaltung machen könnte. Aber wir wissen alle, dass die Folgen der Klimakrise extrem ungleich verteilt sind. Gleichzeitig gibt es massive Unterschiede wer, wie viel Emissionen durch seinen Konsum verursacht, abhängig davon wie viel Einkommen man hat.  Aber ich denke es ist verkürzt das so zu betrachten, denn die zentrale Frage ist, wer hat die Produktion in der Hand. Das ist die eigentliche Klassenfrage, denn die Produktionsmittel sind entscheidend für die Emissionen und für die Transformation die wir angehen müssen. Klar will ich nicht, dass der Chef der OMV mit seinem Jet um die Welt cruised, aber wesentlich schlimmer ist, was er als Chef der OMV macht.

In diesen Fragen ist in den letzten Jahren einiges in der Klimabewegung weitergegangen. Aber oft bleibt die Kapitalismuskritiker bei einer allgemeinen Wachstumskritik stehen. Die Degrowth-Debatte macht ganz wichtige Punkte, aber bleibt leider oft bei der Kritik des Wachstums stehen, ohne zu fragen, warum braucht der Kapitalismus Wachstum. 

Günther Hopfgartner: Zum einen kann ich mich dem allermeisten von Verena gesagten nur anschließen. Vielleicht noch zur Degrowth-Debatte, die ich wichtig finde. Wir produzieren ja nur immer mehr, und mehr aus einer Verwertungslogik heraus. Der Großteil an Gütern etc., den wir produzieren, macht auch nur aus der Profitlogik Sinn. Niemand braucht z.B. Werbung und niemand braucht tatsächlichAngriffswaffen. Die Degrowth-Debatte spricht da ein Problem an, aber denkt es nicht zu Ende. Wenn der Punkt ist, dass wir zu viel produzieren und an eine natürliche Schranke stoßen, dann ist das dahinterliegende Problem, das es letztenendes zu adressieren gilt, der Kapitalismus und nicht der Mangel an Konsumkritik. Aber deswegen weise ich die Degrowth-Debatte nicht zurück, sondern versuche sie mit marxistischen Analysen zu verknüpfen.

Und wenn wir schon auf derEbene der Lebensweise und des Konsums sind., hätte ich ein persönliches Beispiel dafür, wie eine verbindende Sichtweise auf die Klimakrise funktionieren könnte:

Ich bin seit 30 Jahren Vegetarier und zwar mit einer sehr persönlichen und moralischen Begründung, weil ich nicht will, dass etwa Kühe und Schweine für meine Ernährung, die ich auch sehr nahrhaft und mit Genuss fleischfrei bestreiten kann, geschlachtet werden. Das ist wie gesagt ein schlicht moralische-persönliches Argument. Aber wenn du dann anfängst dich damit zu beschäftigen, dann kommst du drauf, dass das Feld, auf dem ich persönlich argumentiere, eng mit der ökologischen und der Klassen-Frage verknüpft ist. Wenn man sich etwa den industriellen Prozess der Produktion von Fleisch ansieht, was das zum Beispiel an Land und Wasser vernutzt beziehungsweise verbraucht. Wenn man das für die Produktion anderer Lebensmittel einsetzen würde, könnte man mehr und qualitativ hochwertigere Lebensmittel produzieren und würde deutlich weniger Umwelt zerstören und Klima neutraler agieren. Das ist der ökologische Aspekt. Gleichzeitig gibt es die Klassendimension. Etwas, was die Arbeiter:innenbewegung teilweise wieder vergessen hat. Es gab schon sozialistische Autoren, wie Upton Sinclair oder Bert Brecht, die den Zusammenhang unseres Umgangs mit Lebewesen und Menschen hergestellt haben. In ihren Werken „Dschungel“ bzw. „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ kommt die Verbindung zwischen industrieller Verwertung von Tieren und unmenschlicher Arbeitsbedingungen ganz klar raus. In der Pandemie ist dieses Thema plötzlich wieder aufgekommen, als Cluster in der Fleischindustrie entstanden sind und man genauer hingeschaut hat, auf die Bedingungen unter denen vorwiegend migrantische Arbeitskräfte in der Fleischindustrie arbeiten und leben müssen Dort werden nicht nur Tiere gekilled, sondern auch Menschen ausgebeutet und Menschenleben ruiniert. 

Das wäre dann ein gesellschaftlicher knotenpunkte , wo man etwa Arbeitswelt, Ökologie und Tierschutz zusammendenken und Kämpfe gemeinsam organisieren könnte. SolcheKnotenpunkte müssen wir suchen. Hier müssen wir ansetzen, weil hier sind auch die Subjekte der Veränderung und ihre jeweiligen Interessen zu finden.

Gibt es Beispiele wo sich das schon in der Politik der KPÖ niederschlägt?

Günther Hopfgartner: Ein Modell, dass wir als KPÖ vertreten, aber auch Akteure wie ATTAC, ist die Energiegrundsicherung. Da können wir einerseits die aktuelle Teuerung thematisieren und gleichzeitig hat es eine ökologische Dimension. Das Modell stellt die Grundbedürfnisse in den Mittelpunkt und macht es gleichzeitig teuer, übermäßig viel Energie zu verbrauchen.

Darüber hinaus adressiert dieses Modell notwendigerweise die Frage der Vergesellschaftung. Und wendie Menschen in die Entscheidung eingebunden werden, was wird wie und wofür produziert,  dann wird nicht mehr verordnet, du musst jetzt weniger verbrauchen, klimaneutraler Leben, sondern es ist ein demokratischer Prozess, an dem man beteiligt ist, weil er auch auf die eigenen Interessen und Bedürfnisse schaut. Das ist politisch nachhaltig,

Für die KPÖ ist Ökosozialismus natürlich eine zentrale Perspektive. Wie hält es die Klimagerechtigkeitsbewegung damit?

Verena Gradinger: Ich denke, dass ist die einzig brauchbare Perspektive und sie gewinnt derzeit auch an Momentum. Ich bin stark von Andreas Malm geprägt. Das bedeutet, die Ausbeutung von Mensch und Natur hängen strukturell mit dem Kapitalismus zusammen, Ausbeutung von fossilen Brennstoffen und die Entstehung des Kapitalismus hängen strukturell zusammen. Und die Verwendung von fossilen Brennstoffen, war Voraussetzung, um Arbeiter:innen auszubeuten.
Strategisch bedeutet das, um aus fossilen Brennstoffen rauszukommen, müssen wir raus aus dem Kapitalismus. Und das schaffen wir nicht über Wahlen, sondern durch Revolution. Und das revolutionäre Subjekt sind nicht vorrangig wir Studierende, sondern die Arbeiter:innenklasse in ihrer ganzen Breite. 

Gewisse Teile der Bewegung orientieren sich dort hin, aber sicher nicht alle. Die Frage ist, wie kommt man zum Ökosozialismus. Als aktivistische Bewegung fehlen natürlich oft auch die Ressourcen, um sich tiefer mit solchen theoretischen Fragen auseinanderzusetzen. Und die die sich intensiv mit Theorie auseinandersetzen, fehlen dann oft in der praktischen Bewegung. Das ist sicher auch ein Grund, warum solche strategischen Fragen dann so langsam in der Bewegung ankommen.